Finanzplatz Schweiz, bitte nicht zu früh beerdigen (Teil 2)

Die Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes sinkt, auch an der Börse. Etwas weniger Skandale und Affären. Das mag ein frommer Wunsch sein, aber mit weniger Fehlleistungen sähen die Perspektiven der Finanzbranche vielversprechend aus.

Wie im ersten Teil aufgezeigt, hat sich die Finanzbranche bezüglich Beschäftigung im letzten Jahr überraschend gut behauptet. Wie schon bei früheren Krisen und den ständigen Kahlschlag-Unkenrufen zum Trotz. Doch dies ist leider nur ein Teil der Wahrheit. Mehr als nur ernüchternd fällt vor allem der Vergleich mit anderen Branchen aus. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass der Finanzsektor in den letzten 15 Jahren massiv an Terrain eingebüsst hat. Am eindrücklichsten zeigt sich dies bei der Börsenbewertung. Betrug der Anteil des Finanzsektors an der gesamten Börsenkapitalisierung des Swiss Market Index SMI vor 15 Jahren noch rund ein Drittel, sind es heute nicht einmal mehr 10 Prozent.

Noch krasser ist der Absturz bei den Grössten der Branche: So ist der Börsenkurs der CS Aktie seit dem Hoch von 2007 um 82 Prozent eingebrochen, jener der UBS um 80 Prozent. Zum Vergleich: In der gleichen Periode ist der SMI um 22 Prozent gestiegen, Novartis um 36 Prozent und Nestlé sogar um 130 Prozent. Und noch weit rassiger war die Entwicklung bei den SMI-Aufsteigern Lonza mit knapp 500 Prozent und Sika mit 690 Prozent.

Einigermassen tröstlich: Unter den Höhenfliegern der letzten 15 Jahre befinden sich mit Partners Group mit einem Plus von 618 Prozent und VZ Holding mit einem Plus von 443 Prozent auch zwei Vertreter der sonst lahmenden Finanzbranche.

Fredy Gilgen, Finanzpublizist

Doch einigermassen tröstlich: Unter den Höhenfliegern der letzten 15 Jahre befinden sich mit Partners Group mit einem Plus von 618 Prozent und VZ Holding mit einem Plus von 443 Prozent auch zwei Vertreter der sonst lahmenden Finanzbranche. Beides sind Unternehmen mit einer überzeugenden Langfrist- und Nischenstrategie. Sowohl die auf Private Equity spezialisierte Partners Group wie das Finanzberatungsunternehmen VZ Holding sind noch junge Finanzinstitute ohne Altlasten, die nie vom geraden Weg abgekommen sind. So wie dies gerade bei den Branchentops mit bemühender Regelmässigkeit der Fall war. Geldwäscherei- und andere Skandale haben operative Fortschritte hier immer und immer wieder zunichte gemacht.

Können solche Fehltritte vermieden oder wenigstens reduziert werden, ist dem Finanzsektor sogar ein längerfristiges Revival zuzutrauen.

Fredy Gilgen

Können solche Fehltritte vermieden oder wenigstens reduziert werden, ist dem Finanzsektor sogar ein längerfristiges Revival zuzutrauen: Im Einklang mit dem weltweiten Branchentrend hat bei den Branchenriesen UBS und CS schon in den letzten drei Monaten eine spürbare Erholung stattgefunden. Was bereits einige Börsenauguren wie Barclays-Analyst Jason Goldberg veranlasst hat, die Daumen für Bankaktien nach oben zu drehen. Der erfahrene Börsenstratege Alfons Cortés rät bei Bankaktien noch etwas Geduld zu üben: «Sie gehören aber momentan auf die Beobachtungsstation im Hinblick auf mögliche Kaufgelegenheiten bei Rückschlägen».

China könnte es bringen
Auf den ersten Blick hätten die Grossen der Branche tatsächlich die besseren Zukunftsperspektiven. Denn Ihnen bieten sich auch im Ausland immer wieder enorme Chancen. Diese haben sich allerdings allzu oft als enorme Risiken entpuppt, wie zum Beispiel im US-Investmentbanking. Doch nun lockt Asien. «Dieser Markt war 2020 für die UBS ein Jahr, in dem wir massiv profitieren konnten», sagt Edmund Koh, Chef der Asien-Pazifik-Region. Und nun könnte ein weiterer grosser Sprung gelingen: Das neue, innovative Digitalbank-Angebot der UBS für China sei fixfertig aufgegleist. Es fehle nur noch das grüne Licht der dortigen Behörden.

Überall, wo es emotionale Komponenten gibt, ist der Mensch der Maschine überlegen, weil die Maschine sie nicht aufnehmen und verstehen kann.

Jürg Staub, Bank Reichmuth

Schweizer Privatbanken rät Reichmuth-Banker Jürg Staub bei der Digitalisierung up to date zu sein, aber niemals den persönlichen Kontakt zu vernachlässigen. «Überall, wo es emotionale Komponenten gibt, ist der Mensch der Maschine überlegen, weil die Maschine sie nicht aufnehmen und verstehen kann.» Für den Finanzplatz sei es wichtig, dass die Schweiz die Rahmenbedingungen wieder verbessert und rund um den technischen Fortschritt ausrichtet. So wie dies im Umgang mit Cryptowährungen und –assets bereits geschehen sei.