Aktiv oder passiv – welches ist die richtige Anlagestrategie?

Eine richtige Antwort auf die Frage: «aktiv oder passiv?» gibt es nicht. Beide Anlagestrategien bieten Vor- und Nachteile, welche für den Investor individuell abgewogen werden müssen. Die Ziele und Charakteristik des Anlegers und der Fondsmanager sind dabei entscheidend.

Ein grosser Vorteil von aktiven Fonds sind Analysen auf Firmen- und Branchenebene und zum Marktzyklus. In einem Konjunkturaufschwung kann man so von zyklischen Titeln profitieren. In einer passiven Strategie hingegen bleibt die Zusammensetzung gleich, ungeachtet in welcher Konjunkturphase man sich befindet. Aktives Management ist auch sinnvoll in Nischenmärkten oder bei besonderen Anforderungen. So kann sich ein aktiver Fonds auf einzelne Faktoren oder auf Strategien spezialisieren wie zum Beispiel Growth- und Value-Faktoren oder einen ESG-Ansatz. Die aufwendigen Analysen bieten jedoch nicht nur Vorteile, sie sind der Grund für den höheren Preis von aktiven Strategien.

Solange Meinungen am Aktienmarkt auseinandergehen, wird es immer Möglichkeiten für aktives Investieren geben.

Mario Geniale, Chief Investment Officer, Bank CIC (Schweiz) AG

Ein passiver Fonds (ETF) hingegen ist im Vergleich günstiger, meist intra-day handelbar und somit liquider. Ist das Hauptziel eines Investors das Abbilden einer Marktperformance, fällt die Wahl klar auf diesen Fonds. Der geringe Preis und die indexgleiche Konstruktion weisen einen geringeren Tracking-Error auf. Dabei muss erwähnt sein, dass man mit einem ETF die Performance des abgebildeten Index nicht übertreffen kann. Bei einer passiven Strategie werden keine Analysen miteinbezogen, man kauft den Markt.

ETF nicht ohne Risiko
Bei einem kapitalisierungsgewichteten Index kann die passive Anlagestrategie zu Problemen führen. Grosse Unternehmungen werden gekauft und gewinnen weiter an Wert ohne Bezug zum realen Wert der Firma. Überbewertete Titel werden zu teuer gekauft und es bildet sich ein grösseres Risiko einer Korrektur des Aktienpreises. Unterbewertete Titel werden untergewichtet und bei einem Anstieg bleibt der Investor aussen vor. Damit werden Trends verstärkt und Monopole gefördert. Falls es am Markt zum Verkaufsdruck kommt, können Flashcrashs oder Margin Calls ausgelöst werden, da die ETF sofortige Liquidität versprechen. Genau diese hohe Liquidität regt zum Handeln an und wird Anlegern oft zum Verhängnis. In einer Marktpanik wird am Tiefpunkt verkauft und danach in einem Bullenmarkt zu teuren Preisen wieder eingekauft.

Sofern man in der Marktpanik einen kühlen Kopf bewahren konnte, sollten sowohl aktive wie auch passive Strategien gut durch die Corona-Krise gekommen sein.

Mario Geniale

Was passiert oder ist bereits passiert, wenn das passive Investieren zu gross wird? Wichtig dabei ist die Konzentration der Stimmrechte auf wenige ETF-Anbieter. Als Stakeholder bestimmen sie über die Unternehmenspolitik, oft mit dem einzigen Ziel, «grösstmögliche Finanzrendite» für die Anleger zu erwirtschaften. Dabei wird Wert auf die Dividende und die kurzfristige Performance gelegt, Innovation und Entwicklung der Firma werden dabei gebremst. Bei einzelnen Corporate Governance Kriterien wie Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte und Vergütung des Managements könnte allerdings eine allgemeine langfristige Sichtweise zum Tragen kommen, wovon alle Stakeholder profitieren würden.

Bedeutung für die Zukunft
Passive Investmentstrategien haben in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Aufmerksamkeit der Anleger gewonnen. Es besteht ein weiteres Wachstum in diese Richtung. Jedoch werden auch weiterhin die aktiven Strategien ihren fairen Teil am Kuchen behalten. Solange Meinungen am Aktienmarkt auseinandergehen, wird es immer noch Möglichkeiten für aktives Investieren geben. Sofern man in der Marktpanik einen kühlen Kopf bewahren konnte, sollten sowohl aktive wie auch passive Strategien gut durch die Corona-Krise gekommen sein. Bei einer aktiven Strategie hätte man die Möglichkeit gehabt, nach dem Tiefpunkt auf zyklische Titel zu setzen und so vom stärkeren Aufschwung zu profitieren. Diesen Freiraum, bei Anzeichen einer Wende innerhalb des Zyklus die Allokation den neuen Gegebenheiten anzupassen, haben Investoren mit einem passiven Ansatz nicht. Diese Zyklen verlässlich vorherzusagen, grenzt jedoch schon fast an Zauberei.

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