Satire: Inside Bank Rupp & Cie – Eigentor
Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Eigentor ...
«Wie lautet unser Kommentar soweit?»
Stephan Petermanns Frage richtete sich an seinen Arbeitskollegen Andres Lüthi vom Institutional Clients Desk. Die beiden Vizedirektoren sassen während der obligaten Morgenpause wieder einmal spontan im Capo Gino und unterhielten sich intensiv über das Thema Medienarbeit.
«Muntwyler ist ein …», las Lüthi leise von seinem Notebook ab. Der halbfertige Kommentar galt einem unschönen Internetartikel mit der Überschrift Muntwyler: Risk-Officer oder Risk?
«Kennst du Muntwyler eigentlich persönlich?», fragte Petermann, während er unablässig auf sein Smartphone starrte, «immerhin sitzt der ja schon beinahe zwei Jahre bei uns in der Rennleitung!»
«Nein, noch nie mit dem zu tun gehabt. Aber wir arbeiten ja auch nicht im Risk-Department …», gab Lüthi etwas vorschnell zur Antwort.
Es bedurfte Petermanns kritischen Blick, damit Lüthi seine zahme Antwort korrigierte.
«Überhaupt nicht», verneinte Lüthi jetzt bestimmt.
«Also arrogant!», schlussfolgerte Petermann. «Das solltest du gleich hinzufügen.»
«Muntwyler ist ein arroganter …»
Petermann nickte kommentarlos.
«Sollten wir nicht auch ein wenig auf den Inhalt eingehen?», fragte Lüthi, nachdem er den Halbsatz nochmals auf Fehler hin überprüft hatte.
«Weshalb?», erwiderte sein Kollege hämisch grinsend, ohne vom Smartphone aufzuschauen, «machen wir doch sonst auch nie.»
Jetzt musste auch Lüthi schmunzeln. Als sich gleich darauf in seinem Rücken ein Schatten näherte, klappte er den Deckel seines Notebooks reflexartig zu. Der dumpfe, unangenehm laute Knall war im ganzen Café zu hören.
«Entschuldigen Sie», sagte der Kellner, der die Getränkebestellung aufnehmen wollte.
Lüthi brauchte einen Augenblick, bis er in der Lage war, das Wort Espresso auszusprechen. Trotz einiger Routine waren diese Spezialeinsätze für ihn nach wie vor nervenaufreibend.
«Spesenschwindler!», schlug Petermann vor, nachdem der eifrige Kellner die zwei Espressi gebracht hatte. «Muntwyler ist ein arroganter Spesenschwindler», vervollständigte er den Satz und blickte zufrieden hinüber zu Lüthi, der ihm aufmerksam zuhörte.
«Du meinst wegen dem privaten Privatjet-Trip nach New York?», fragte er.
Petermann nickte.
«Das war Zaugg!»
Sichtlich enttäuscht, zog Petermann das Notebook auf seine Tischseite und hackte aggressiv auf die Tasten ein. Dann schob er das Gerät wortlos zurück.
Muntwyler ist ein arroganter und inkombetenter ... war nun auf dem Bildschirm zu lesen.
Obschon Lüthi sich der inkorrekten Schreibweise bewusst war, unterliess er jegliche Art von Belehrung und verzichtete wegen Petermanns aufbrausenden Charakters sogar auf eine heimliche Korrektur.
«Wir müssen schon noch einen draufsetzen», bemerkte er stattdessen, «… sonst liest das kein Schwein.»
«Ein anschwärzendes Schimpfwort muss es sein, eines, das den Nagel voll auf den Kopf trifft», stimmte Petermann seinem Co-Kommentator zu.
Dann bestellten sie beim Kellner einen zweiten und etwas später einen dritten Espresso und sinnierten lange über einen treffenden Ausdruck. Ihr ausschweifendes Brainstorming hatte die Morgenpause schon deutlich überzogen und war in eine nachhaltige Schweigephase übergegangen, als es unvermittelt wie ein Vulkan aus Petermann herausbrach.
«Ich hab’s!», gab er geradezu euphorisch von sich: «Muntwyler ist ein arroganter und inkombetenter Pünktchen, Bindestrich, Pünktchen.» Dann verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich abwartend in seinem Stuhl zurück.
Im Capo Gino trafen mittlerweile die ersten Mittagsgäste zum Salatbuffet-Plausch ein.
«Such nicht zu weit», bemerkte Petermann nach ein paar ereignislosen Minuten leicht ungeduldig.
Lüthi zuckte hilflos mit den Schultern, er wirkte ausgebrannt, worauf Petermann endlich ein Einsehen hatte.
«Deppen-Banker!» Stephan Petermann musste kindisch kichern. Es dauerte einen Moment, bis er den Satz vollständig wiedergeben konnte: «Muntwyler ist ein arroganter und inkombetenter Deppen-Banker!», sagte er, noch immer fröhlich glucksend.
«Genial!», kommentierte Lüthi.
Er hatte das Lob kaum ausgesprochen, als auf seiner hohen Stirn erste Runzeln aufzogen.
«Aber dann», sprach er zögerlich, «… wären wir doch auch Deppen?»
Petermann winkte jedoch lässig ab.
«Keine Sorge», entgegnete er mit selbstgefälligem Lächeln, «... ist ja anonym!»