Systematisches nachhaltiges Investieren: Hype oder Trend?

Die zunehmende Bedeutung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) bei Investitionsentscheidungen spiegelt das wachsende Bewusstsein für nachhaltige und verantwortungsvolle Geschäftspraktiken wider. Manchmal sogar bis zu dem Punkt, an dem diese selbst umstritten sind.

Quantitatives Investieren mit seinem datengesteuerten Ansatz hat im Bereich ESG- und Impact-Investing an Popularität gewonnen. Dennoch wird der Ansatz oft missverstanden. Die Kritik reicht von mangelnder Interpretierbarkeit über Unzuverlässigkeit bis hin zu Oberflächlichkeit.

Beim quantitativen Investieren werden umfangreiche Datensätze und komplexe Algorithmen eingesetzt, um Muster und Trends zu erkennen. Obwohl es undurchsichtig erscheint, ist es tatsächlich der beste Weg, um alle Aspekte eines nachhaltigen Portfolios umfassend zu verstehen. Erstens ermöglicht ein systematischer Ansatz die objektive Messung der Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens und verringert so den Einfluss subjektiver Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung. Die meisten Unternehmen veröffentlichen heutzutage ausführliche Nachhaltigkeitsberichte. Schaut man sich einen davon an, könnte man schnell glauben, dass das betreffende Unternehmen im Bereich ESG marktführend ist oder sich der negativen Auswirkungen vollständig bewusst ist und weiss, wie es diese mindert. Wenn jedoch alle Unternehmen marktführend sind, ist keines davon wirklich führend. Ein systematischer und konsistenter Ansatz schafft eine einheitliche Referenz und ermöglicht es so, zwischen tatsächlichen Best-in-Class-Praktiken und oberflächlichen Behauptungen zu unterscheiden. All dies unterscheidet sich nicht wesentlich von einem Bottom-up-Ansatz, bei dem ein Team von Analysten jedes Unternehmen im Portfolio gründlich durchleuchtet. Er ist nur grösser und systematischer. Um idiosynkratische Risiken zu vermeiden, sind Quant-Portfolios in der Regel breiter gestreut. Damit können unternehmensspezifische Risiken, die von den Modellen möglicherweise nicht erfasst werden, vermieden werden

Es ist eine weit verbreitete Falle, immer zu versuchen, den bestmöglichen Ansatz anzuwenden.

Dries Cornilly, Investment Manager, Asteria IM

Dies bringt uns zum zweiten Punkt. Quantitative Strategien sind von Natur aus skalierbar und eignen sich daher gut für die Verwaltung grosser Anlageportfolios. Die 20 Unternehmen, die Sie sich manuell ansehen und anhand einer bestimmten Kennzahl vergleichen, könnten alle schlechter abschneiden als die 80, die Sie nicht berücksichtigt haben. Im ESG-Bereich, in dem immer mehr Anleger versuchen, ihre Portfolios an nachhaltigen Werten auszurichten, können quantitative Modelle grosse Mengen an ESG-Daten effizient verarbeiten und analysieren. Diese Effizienz verbessert nicht nur die Entscheidungsfindung, sondern ermöglicht auch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in ein breites Spektrum von Anlagen.

Ob alle Nachhaltigkeitskennzahlen ein Indikator für die langfristige Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens sind, ist eine andere Frage. Einige von ihnen könnten es sein, die meisten sind es wahrscheinlich nicht, wie es auch bei vielen anderen Datenquellen der Fall ist. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere gute Governance-Praktiken gut mit einem allgemeineren Qualitätsindikator übereinstimmen. Wenn jedoch bestimmte Präferenzen mit Ihren moralischen Werten übereinstimmen und keinen negativen Einfluss auf das Portfolio haben, gibt es keinen Grund, diese nicht zu berücksichtigen. Manchmal ist es ein kostenloser Vorteil, wenn Investitionen mit persönlichen Wertvorstellungen in Einklang gebracht werden.

Es scheint ein zunehmender Trend zu bestehen, so viele ESG-Indikatoren wie möglich einzubeziehen und dabei die relative Bedeutung oder Relevanz (z.B. finanzielle Wesentlichkeit) der verschiedenen Teilindikatoren völlig ausser Acht zu lassen. Dies führt dazu, dass sich die ESG-Ratings der verschiedenen Anbieter unterscheiden. Jeder von ihnen betrachtet unterschiedliche Datenpunkte und wandelt sie unterschiedlich um. Zum Beispiel in Bezug auf eine kleine Gruppe von Gleichrangigen oder im Vergleich zu einer grösseren Gruppe. Dies hat einen grossen Einfluss auf die Interpretierbarkeit und Relevanz der Ratings. Die Divergenz der Ratings ist wohl ein gutes Merkmal. Wie bei der fundamentalen Finanzanalyse gibt es mehrere Möglichkeiten, das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens zu betrachten. Folglich führen unterschiedliche Ansätze auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Das Wichtigste ist, dass Anleger bzw. Fondsmanager verstehen, was die Ratings bestimmt, und entsprechend handeln.

Mit mehr Daten steigt auch das Risiko von Datenfehlern, und manchmal ist der Erfassungsbereich geringer. Die Verwendung ungenauer Daten kann zu unzuverlässigen Modellergebnissen führen. Einer der wichtigsten Schritte ist daher die Überprüfung, ob die Eingabe sinnvoll ist. Modelle zur Imputation fehlender Daten und zur Korrektur von Fehlern können so komplex und schwierig zu interpretieren sein. Wir sind über das Stadium hinaus, in dem fehlende Daten automatisch ein schlechtes oder nicht vorhandenes Ergebnis bedeuten. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass die Algorithmen zur Imputation und Korrektur von Daten verständlich sind und dem gesunden Menschenverstand folgen. Manchmal ist ein einfacheres Modell besser. Es ist eine weit verbreitete Falle, immer zu versuchen, den bestmöglichen Ansatz anzuwenden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass quantitatives Investieren der richtige Weg für diejenigen ist, die einen datengesteuerten, skalierbaren Ansatz für nachhaltige Investitionen suchen. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Datenqualität, der Modellkomplexität und der Interpretation von Signalen unterstreichen jedoch die Notwendigkeit einer ausgewogenen und nuancierten Strategie. Die Integration quantitativer Erkenntnisse mit qualitativen Analysen und ein ausgeprägtes Bewusstsein für die sich entwickelnde Nachhaltigkeitslandschaft werden für Anleger, die sich erfolgreich durch die Komplexität verantwortungsbewusster Investitionen bewegen wollen, entscheidend sein.

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