Inside Bank Rupp & Cie – Duzfreunde

Inside Bank Rupp & Cie ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Duzfreunde».

«Wie findest du den Event bis jetzt?», fragte Severin Blättler seinen Kollegen Ronny Hürlimann.

«Ok», antwortete der junge Mann im dunkelblauen Massanzug und den teuren, rahmengenähten Lederschuhen kurz und lässig.

Die beiden Jungbanker standen an einem der mit weissen Hussen dekorierten Stehtische im grossen Foyer und unterhielten sich während der Mittagspause bei Orangensaft und Canapés über die Redner am diesjährigen Young Talent-Anlass der Bank.

«Die Kaufmann und ihren emotionalen Vortrag zum Thema Human Capital – unsere wertvollste Ressource hätte man allerdings streichen können. Das glaubt die wohl selbst nicht», bemerkte Hürlimann giftig.

«War schon ein bisschen übertrieben, fand ich auch», pflichtete Blättler ihm bei, «… vor allem bei der teuren IT-Infrastruktur.»

«Für mich toppte Joe in seiner Eröffnungsrede wieder einmal alle. Höchst interessant, was er uns über Big Data und Digitalization zu berichten wusste …», bemerkte Hürlimann anerkennend.

«Das stimmt», bestätigte Blättler, «der Firmenchef hat schon etwas Charismatisches.»

«Für mich ist Joe ein klassischer NBL!», sagte Hürlimann mit wichtiger Stimme, «… ein natural born leader», deutschte er die Abkürzung aus, weil Blätter ihn offensichtlich nicht verstanden hatte.

Blättler versuchte die kleine Wissenslücke zu überspielen, indem er rasch zum nächsten Redner überleitete: «Muntwyler fand ich übrigens auch nicht schlecht. Der Risikochef ist für sein Alter schon relativ breit aufgestellt», sagte er.

«Not bad. Ich an seiner Stelle hätte allerdings noch etwas mehr Ausblick geboten …», meinte Hürlimann zur glänzenden Rede des Shootingstars der Bank Rupp & Cie.

«Dafür fiel Meier gänzlich ab. Langweilige Speech und voller Füllwörter. Hast du mal gezählt, wie viele Male der äh gesagt hat?», fragte Hürlimann.

«Nein.»

«Schätz mal.»

«25?»

«Vom Anfang bis zum Ende seiner Rede über Digital Maintenance hat er genau 87 Mal geäht.»

«Wahnsinn! Und so jemand sitzt bei uns in der Geschäftsleitung.»

«Noch …!», kommentierte Hürlimann, ohne zu lachen.

«Dafür gebe ich dem Neuen, Schmidt, für seinen ersten Auftritt ein Genügend, fuhr Blättler mit den Beurteilungen fort.

«Ja, der war ganz in Ordnung», bestätigte Hürlimann, «… hat einfach keinen Geschmack, der Mann. Hast du seinen Anzug gesehen? Da beugt sich sogar die Stange im Laden ...». Sie mussten beide herzhaft lachen.

«Ich bleibe dabei: Joe war für mich der Beste!», wiederholte Hürlimann, nachdem sie alle Geschäftsleitungsmitglieder durchhatten, und nickte zur Untermauerung seines Lobs energisch mit dem Kopf.

«Dafür werde ich Joe nächstes Mal wohl loben müssen», fügte er gönnerhaft hinzu.

Blättler schnappte sich darauf von einem der herumgereichten Silbertabletts ein viertes Lachscanapé und hockte zunächst aufs Maul. Doch schon nach dem zweiten Bissen konnte er es nicht lassen. Er musste Hürlimann darauf ansprechen: «Kennst du Spalinger eigentlich gut?», fragte er ehrfürchtig.

Ronny Hürlimann beantwortete die durchaus ernst gemeinte Frage mit einem vielsagenden Lächeln. Dann stiess er mit seinem Orangensaft an.

«Auf uns und unsere erfolgreiche Zukunft bei der Bank Rupp & Cie», sagte er und zwinkerte Blättler bedeutungsvoll zu.

Die Mittagspause zog sich dahin, und der Zufall wollte es – oder vielleicht mehr noch die Aufforderung der Leiterin Workforce Management –, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung sich nach dem gemeinsamen Essen im Séparée unter die Jungbanker zu mischen begannen. Von Stehtisch zu Stehtisch zogen sie, um ein paar motivierende Allgemeinplätze von sich zu geben oder halbintelligente Fragen der Young Talents zu beantworten.

Severin Blättler hätte es wegen einem Kontrollblick auf sein Smartphone fast verpasst, als Firmenchef Hans "Joe" Spalinger plötzlich an ihren Stehtisch trat. Einzig Hürlimanns gleichermassen laute wie devote Begrüssung bewahrte ihn vor einem grösseren Fauxpas.

«Guten Tag Herr Doktor Spalinger», krächzte er ganz aufgeregt.