Inside Bank Rupp & Cie – Mobility

Inside Bank Rupp & Cie. ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Mobility».

Georg «Schorsch» Stalder starrte abwechslungsweise auf einen der beiden Grossbildschirme auf seinem Schreibtisch. Der Finanzchef der Bank Rupp & Cie wirkte rastlos und zunehmend unzufriedener.

Als Verena Bissegger, Stalders Personal Assistant, um acht Uhr morgens die Türe zu seinem Büro einen Spalt weit öffnete, um ihrem Chef einen wunderschönen und erfolgreichen Tag zu wünschen, schien er sie zunächst gar nicht wahrzunehmen.

«Bin total zugedeckt – sagen Sie für heute Morgen sämtliche Termine ab …!», bellte er, als Verena Bissegger die schwere Türe schon fast wieder hinter sich zugezogen hatte.

Sie tippte auf einen grösseren Kreditausfall oder etwas noch Schwerwiegenderes. In den letzten drei Jahren hatte sie ihren Chef jedenfalls selten so deprimiert erlebt, und dabei hatte sie schon so einiges mit ihm durchgestanden.

Es begab sich, dass Stalder eine knappe Stunde vorher, nach einer, dank seiner aggressiven Fahrweise, nahezu perfekten Autofahrt, in der Tiefgarage auf den Risikochef der Bank Rupp & Cie getroffen war. Stalder war kaum aus seinem Wagen ausgestiegen, als ihn jemand freundlich gegrüsst hatte.

«Guten Morgen Schorsch …», hatte Richard Muntwyler ihm vier Parkplätze weiter gutgelaunt zugerufen, während er gleichzeitig die Zentralverriegelung seines Autos aktiviert hatte. Plopp hatte es kurz und trocken gemacht, und dann waren an seinem funkelnagelneuen Wagen zahlreiche, verschiedenfarbige Lichter kurz an- und wieder ausgegangen.

Stalder hatte gar nicht anders gekonnt, er hatte Muntwyler zurückgrüssen müssen. «Morgen …», hatte er kaum hörbar gebrummt. Dann war er stehengeblieben und hatte einen Telefonanruf vorgetäuscht, um den Aufzug nicht mit seinem Geschäftsleitungskollegen teilen zu müssen.

Er mochte ihn wirklich nicht, diesen smarten Parvenü, dem im Leben offensichtlich alles ein wenig leichter fiel, zumindest leichter als ihm, Georg Julius Stalder. Summa-Studienabschluss und anschliessende Promotion, gutaussehend und sportlich, mehrsprachig und eloquent sowie in der Bank allseits beliebt, laut Stalders PA zudem glücklich verheiratet und mit zwei hochbegabten Kindern gesegnet, und – das schmerzte Stalder am allermeisten – das jüngste Geschäftsleitungsmitglied ever in der Firmengeschichte der Bank Rupp & Cie. Damit hatte Richard Muntwyler im Alter von 37 Jahren das erreicht, was Schorsch Stalder bis Mitte 50 vorenthalten worden war.

Und jetzt das!

Stalder schaute angespannt auf den linken Bildschirm, auf dem Muntwylers neuer, anthrazit-metallicfarbener Sportwagen zu sehen war. Dann wechselte sein Blick auf den rechten Bildschirm, auf dem seine, im Übrigen durchaus luxuriöse Familienlimousine zum Vergleich stand. Schon zum wiederholten Mal stellte er alle technischen Daten einander gegenüber und auch alle übrigen Informationen verglich er rauf und runter, bis sein Blick letztlich auf dem linken Bildschirm haften blieb:

Innovativer!
Agiler!
Sprintstärker!
Schneller!
Besser equipped!
Schöner designt!

«Alles besser, schneller, schöner – und auch teurer, viel teurer», resümierte Stalder. Vermutlich verdient der Mann auch noch deutlich mehr als ich, schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Und er begann, wüst umherzubrüllen, immer wieder brüllte er das gleiche Wort. Man konnte ihn trotz Schallschutztüre bis weit auf den Flur hinaus hören.

Später, über Mittag in der Personalkantine, war Verena Bissegger sich beim Nacherzählen der dramatischen morgendlichen Ereignisse allerdings nicht ganz sicher, ob sie ihren Chef bei seinem Wutausbruch tatsächlich richtig verstanden hatte.

Von einem Porschloch hatte sie auf alle Fälle noch nie gehört.