Pricing Power entfesselt Gewinne im Portfolio

Unternehmen, die über differenzierte Produkte verfügen, können ihre Preise diktieren. Dank eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils erbringen sie in einem Aktienportfolio langfristig robuste Erträge.

Es ist eigentlich ganz einfach: Ohne Microsoft Word könnten ich diesen Text hier nicht schreiben. Milliarden von Menschen und Unternehmen sind auf die Programme des IT-Riesen angewiesen. Microsoft kann die Preise für MS-Office stetig über das Niveau der Inflation hinaus erhöhen, seine laufenden Kosten decken und die Gewinnmargen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erhalten. Sogar wenn Microsoft morgen seine Preise stark erhöhen würde, bliebe dem Unternehmen der allergrösste Teil der Kunden weiterhin treu. Dank seiner einzigartigen Position im Markt für Produktivitätssoftware ist das Unternehmen geschützt vor Ungemach. Was Microsoft auszeichnet, hat einen Namen: Preissetzungsmacht. Sie ist der Hauptgrund für die hohen Margen des Unternehmens. Gekoppelt mit einer starken Marktposition, vernünftigen Konkurrenten und soliden Margen erwirtschaften diese Unternehmen hohe Kapitalrenditen und haben die Fähigkeit zur Gewinnaufzinsung (exponentieller Zinseszinseffekt).

Nur Unternehmen mit Preissetzungsmacht können ihre Konkurrenz auf Abstand und hohe Renditen im Wettbewerb aufrechterhalten.

Beat Keiser, Head of Equities, Rothschild & Co Bank

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ergibt sich aus hohen Markteintrittsbarrieren. Dies erlaubt es Unternehmen mit Preissetzungsmacht die Konkurrenz fernzuhalten, die hohen Renditen im Wettbewerb aufrechtzuerhalten und so eine dauerhafte Wertvernichtung zu vermeiden. Kurz: Unternehmen mit diesen Voraussetzungen können ihre Erträge langfristig exponentiell steigern. Sie haben die Fähigkeit, ihre Preise im Einklang mit oder gar über das Niveau der Inflation zu erhöhen und gleichzeitig ihre Kunden zu halten. Dies beschert diesen Unternehmen einen beachtlichen Wettbewerbsvorteil. In einem Aktienportfolio können solche Unternehmen langfristig robuste Erträge einbringen.

Software, Luxus, Lifte
Technologiefirmen wie Microsoft oder Alphabet (Google) verfügen über diese marktbeherrschende Stellung. Da es kaum Alternativen zu ihren Produkten und Services gibt, verfügen beide über Quasi--Monopole. Microsoft dominiert die Office-Software-Welt, Google hat einen Marktanteil bei den Suchmaschinen von rund 90 Prozent. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass in den USA immer mal wieder über die Zerschlagung dieser Tech-Giganten debattiert wird. Auch in der Luxusgüterindustrie gibt es Unternehmen mit grosser Preissetzungsmacht. Entscheidend für sie sind die Begehrlichkeit (desirability) ihrer Produkte und das Umfeld, in dem sie diese verkaufen. Dazu gehören Marken wie Cartier oder Van Cleef & Arpels (beide Teil von Richemont), Louis Vuitton (LVMH) oder Hermès. Sie haben ihre Preise in den letzten Jahren um weit mehr als 10 Prozent erhöhen können. Parallel dazu haben sich auch die Aktienkurse entwickelt. Aufzüge machen nur einen sehr kleinen Teil der laufenden Kosten eines Gebäudes aus. Gleichzeitig können sie Vermieter und Mietern grosse Kopfschmerzen bereiten, wenn sie beispielsweise ausfallen oder die Sicherheit der Benutzer gefährdet ist. Zuverlässige Aufzüge bieten daher einen Mehrwert, für welchen die Kunden in Form von langfristigen Servicevertragen mit an die Inflation gekoppelten Preisen zahlen.

Gier ist kontraproduktiv
In einem einzelnen Jahr mag der Einfluss von Preisen auf die Zahlen eines Unternehmens mit ein paar Prozent gering sein. Aber langfristig kumulieren sich diese Effekte. In der stark konsolidierten Industriegasbranche zum Beispiel haben sich die Preise in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. In der hochkompetitiven und fragmentierten Flugbranche dagegen sind diese um weit mehr als 50 Prozent gefallen. Gier ist aber, auch hier, ein schlechter Ratgeber. Wenn ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung zu sehr ausnutzt, die Innovation vergisst und die Preise zu aggressiv erhöht, dann öffnet dies Tür und Tor für neue Konkurrenten, zur Freude der Konsumenten. So geschehen in der US-Bierbranche, wo Budweiser jahrelang die Konsumenten schröpfte und mittlerweile mit Konkurrenz zu kämpfen hat (Craft Beer, IPAs etc.). Sowohl der Marktanteil als auch der Aktienkurs des Unternehmens sind im Keller. Deshalb ist, auch hier, der Teufel im Detail: man sollte erst nach einer eingehenden Analyse eines Unternehmens und seiner Märkte investieren, und nicht spekulieren.

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