Satire: Inside Bank Rupp & Cie – Open Space

Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Menschliches und Allzumenschliches im Grossraumbüro ...

«Ein ernstzunehmendes issue», nannte es Jean-Luc Huber, wenn man ihn danach fragte. Und auch wenn man ihn nicht danach fragte, erzählte er allen davon. Von Roland Benz und seinem eigentümlichen Verhalten, wenn der während der Arbeit regelmässig und länger in die Schublade seines Rollkorpus hineinstarrte.

Huber hätte schwören können, dass er Benz dabei hin und wieder sprechen sah.

«Wirklich ein ulkiger Kauz, redet mit seinem Korpus …», stimmte Ivan Grüter seinem Kollegen zu, als Huber die Causa Benz über Mittag in der Kantine ansprach.

«Und die gefüllte Kaffeetasse selbstverständlich immer schön griffbereit auf dem Schreibtisch …», führte Huber weiter aus.

Grüter schüttelt mehrmals verständnislos den Kopf, bevor er sich äusserte.

«Darum», sagte er.

«Darum was?»

«Darum kommt Benz in aller Herrgottsfrühe zur Arbeit.»

Huber schaute seinen Kollegen verwundert an, worauf Grüter notgedrungen eine Erklärung nachlieferte.

«Um sich im Open Space einen diskreten Fensterplatz zu ergattern!», sagte er leicht gereizt.

«Sagt wer?»

«Eigenmann. Der spinnt auch und ist schon um sieben im Office.»

«Käme mir nie in den Sinn ...», kommentierte Huber mit eindeutiger Grimasse. Er, der laut eigener Aussage vor neun Uhr morgens im Büro nicht zu gebrauchen war. Und gemäss übereinstimmender Beurteilung seines Vorgesetzten und seiner Arbeitskollegen auch nachher nicht.

«No way!», sagte auch Grüter, dessen ordentlicher Arbeitstag sich auf knapp viereinhalb Stunden netto verteilte. Trotz vollem Mund musste er ob des absurden Gedankens lachen.

«Wie schmeckt eigentlich das Lachsfilet?», fragte sein Gegenüber bei dieser Gelegenheit.

Grüter winkte bloss ab.

«Das Ganze ist in der Tat höchst sonderlich», bemerkte Huber, der sich generell für andere Menschen und deren Angelegenheiten interessierte, «und wenn man es richtig bedenkt, fast schon ein Unternehmensrisiko. Im Grunde müsste man Benz der Personalabteilung melden ....»

«Work Force Management!», korrigierte Grüter.

«Sage ich doch.»

«Anmerken tut man ihm aber nichts», setzte Grüter hinzu.

«Nicht mal eine Alkoholfahne!», bestätigte Huber.

«Wodka?»

«Vermutlich.»

Beide stocherten sie jetzt lustlos in ihren Tellern herum, während ihre Blicke beobachtend im Raum herumschweiften.

«Aha, wenn man vom Teufel spricht: Da kommt er ja …», flüsterte Huber, als Benz, wie gewohnt, um exakt zwölf Uhr das Personalrestaurant betrat und sich in der Warteschlange vor dem Salatbuffet einreihte.

«Wahrhaftig ein komischer Vogel», wiederholte Frühesser Grüter sein Urteil, «… schon wie der sich kleidet.»

«Genau. Trägt noch immer Krawatte», ergänzte Huber lächelnd. Gutgelaunt strich er sich mit der Papierserviette die letzten Reste seines Bami Goreng aus dem Hipster-Bart.

Die Kantine war mittlerweile gut gefüllt, einzig am langen Zwölfertisch von Huber und Grüter waren noch mehrere Plätze unbesetzt.

«Ist hier noch frei?», fragte Isabelle Schneider, bevor sie sich mit ihrem Tablett zwei Stühle neben Huber setzte.

«Claro!», antwortete Grüter jovial.

Dann begannen die beiden Männer zu kichern.

«Alles in Ordnung bei Euch?», fragte Schneider.

«Bei uns schon», antwortete Huber und deutete mit dem Kopf in Richtung Benz.

Schneider brauchte einen Augenblick, bis sie sein seltsames Gebaren verstand.

«Roli Benz?», fragte sie verwundert.

«Esattamente», erwiderte Grüter dümmlich grinsend.

«Rührend, nicht wahr!»

«Nicht wahr!», wiederholte sie, da keiner von beiden reagierte.

«Hä?», krächzte Grüter beim zweiten Mal. Er klang ziemlich authentisch, derweil Huber immer noch fragend dreinblickte.

«Ja doch ... wie liebevoll Roli sich seit Streichung des Pflanzendienstes um seinen kleinen Drachenbaum kümmert!»