White Collar – Resilienz

«White Collar» ist unsere Satire-Kolumne über (Un-)Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der neuen Folge widmet sich Andreas Hönger dem Thema Resilienz.

Resilienz wird als psychologische Wunderwaffe angepriesen, die es uns ermöglicht, in der komplexen, sich ständig verändernden Welt zu überleben. Nachfolgend einige Bemerkungen dazu, und einige Tipps, wie Sie die Resilienz ihrer Mitarbeitenden stärken können.

Resilienz bezeichnet in der Psychologe die Fähigkeit einer Person, Belastungen auszuhalten und sich von Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Die meisten Menschen überwinden Traumata, schwere Lebenskrisen, Armut, Gewaltakte, Stress, Krisen oder Schicksalsschläge nur schwer. An anderen prallen sie ab; sie sind widerstandsfähig, resilient. Es ist wie bei einem Gummiball, der zusammengedrückt wird und beim Loslassen in seine ursprüngliche Form zurückspringt. Nun hat der psychologische Begriff auch die Arbeitswelt erreicht. Wir wussten, dass es in der Arbeitswelt nicht zum Besten bestellt ist, aber nicht, dass es so schlimm ist, dass wir wegen der Arbeit Traumata und Schicksalsschläge bewältigen müssen.

Sehen wir das Positive daran: Sie können mit der Resilienz den einzelnen Mitarbeitenden in die Pflicht nehmen. Das ist viel einfacher, als die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es ist immer der Einzelne daran schuld, wenn er zerbricht. Und weiter positiv ist, dass Resilienz durch Übung gestärkt werden kann. Lassen Sie sich nicht von unwissenschaftlichen Meinungen ablenken, die davon ausgehen, dass es eine vorgegebene Eigenschaft sei - man sei resilient oder eben nicht. Diese Mär wird von introvertierten Vunerablen verbreitet, die sich weiter ihrem Elend hingeben wollen, die Umstände für ihr Leid verantwortlich machen oder den Aufwand für die Stärkung der Resilienz scheuen. Darum ist es unsere Verantwortung als Führungskräfte oder Arbeitskollegen, die Mitarbeitenden bei der Ausbildung der Resilienz zu unterstützen. Hier einige Anregungen zur Erreichung dieses Ziels:

  • Führen Sie die Mitarbeitenden an ihre Grenzen
    Wer seine Grenzen kennt und weiss, wie er reagiert, kann Widerstandskraft aufbauen. Verlangen Sie das Unmögliche, um die Grenzen auszutesten, etwa dass ein komplexer Fall mit internationalem Bezug innert zehn Minuten gelöst sein muss. Und teilen Sie mit, dass dabei nicht Druck, sondern Herausforderung empfunden werden soll.
  • Alle sind gleich leistungsfähig
    Stellen Sie klar, dass alle Menschen gleich leistungsfähig sind und dass Resilienz eine Entscheidungssache ist. Wird gejammert, warum man dies oder das wegen der Umstände oder der persönlichen Fähigkeiten nicht tun kann, sagen sie einfach: Der Hugentobler kann das auch!
  • Das Umfeld ist nie schuld
    Machen Sie klar, dass nie die Arbeitsbedingungen schuld sind. Hier hilft der Hinweis, dass für die Erledigung einer Aufgabe mindestens 12 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen und die Nacht auch noch da ist.
  • Kombinieren Sie bei Anweisungen schlechte Resultate mit persönlichen Gefühlen
    Um Druck aufzubauen, bemerken Sie: Wenn Sie das Unmögliche heute nicht schaffen, werde ich Probleme mit dem Chef bekommen und das verletzt mich persönlich. Und Sie wollen nicht wissen, was passiert, wenn ich verletzt bin.
  • Machen Sie Ihren Mitarbeiter für Ihre persönlichen Krankheiten verantwortlich
    Lenken Sie von den Problemen des Mitarbeiters ab und verlangen Sie Empathie. Sagen Sie: Wegen Ihrer mangelnden Leistung habe ich Verdauungsprobleme und trinke wieder.

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

Friedrich Nietzsche
  • Verlangen Sie von Ihrem Mitarbeiter, dass er gegen seine tiefsten Überzeugungen handelt
    Hier geht es um Horizonterweiterung und das Denken in grossen Zügen. Darum befehlen Sie: Entlassen Sie zwei Mitarbeiter Ihres Teams. Die Namen will ich bis heute Nachmittag.
  • Stärken Sie das Selbstbewusstsein
    Verwarnen Sie grundlos Mitarbeitende und drohen Sie mit Entlassung. Wenn Sie das später zurücknehmen, werden die Mitarbeitenden gestärkt aus dem Prozess gehen. Verbinden Sie die Rücknahme mit einem Lob: Weil Sie sich verbessert haben, können Sie bleiben. Das stärkt den Resilienzfaktor der Selbstwirksamkeit; die Mitarbeitenden werden überzeugt sein, dass sie sich durch eigenes Handeln selbst aus Krisen manövrieren können und gewinnen an mentaler Stärke.
  • Kontaktfreude
    Damit die Mitarbeitenden merken, wie schön Sie es haben: Isolieren Sie sie in Einzelbüros und schaffen Sie die Pausen ab.
  • Optimismus
    Verbreiten Sie Optimismus; es ist eine der wichtigsten Quellen der Resilienz und bewirkt eine positive Grundhaltung. Wenn sicher ist, dass die Firma Konkurs geht, bauen Sie die Mitarbeitenden mit einem Spruch auf: Es geht immer wieder ein Türlein auf. Oder: Krisen sind Chancen zu emotionalem Wachstum.
  • Handlungskontrolle
    Schieben Sie Belohnungen auf. Auf kurzfristige Belohnungen zugunsten eines höheren, zukünftigen Ziels zu verzichten ist eine wichtige Komponente der emotionalen Intelligenz und zeugt von Selbstdisziplin. Stornieren Sie den Lohn für 6 Monate und stellen Sie für danach eine (unbestimmte) Belohnung in Aussicht.
  • Realismus
    Aus der Desaster-Forschung weiss man, dass resistente Menschen Krisen zwar nicht rosiger sehen, aber dass sie mit Schmerzen und Tragödien konstruktiver umgehen. Selbst bei Aussichtslosigkeit kann man immer noch einen Witz machen. Spielen Sie die Passage aus dem Film "Die Ritter der Kokosnuss" von Monty Python vor, in welcher der schwarze Ritter. auch ohne Arme und Beine weiterkämpft.
  • Analytische Fähigkeiten
    Resiliente Menschen sind flexibel im Denken und Handeln. Sie können die Ursachen eines negativen Erlebnisses identifizieren und zugleich die Perspektive wechseln. Wenn der Hugentobler fragt, warum er im Gesamtmeeting einen Zusammenschiss erhalten hat, sagen Sie: Überlegen Sie lieber, wozu das gut war.
  • Emotionsteuerung
    Emotionssteuerung bedeutet, dass jemand seine Gefühle weitestgehend unter Kontrolle hat. Wer diese Fähigkeit besitzt, nimmt seine Gefühle wahr und weiss, was er oder sie tun kann, um sich beispielsweise bei Stress zu beruhigen. Darum nehmen Sie sich jemanden aus Ihrer Führungssitzung vor und beobachten Sie, wie lange er sich beherrschen kann. Wenn er ausrastet, fragen Sie ihn: Wie wollen Sie in Zukunft mit Ihrem Stress umgehen?
  • Kausalanalyse
    Die Kausalanalyse bedeutet, dass Zusammenhänge von Problemen erkannt werden und aus Fehlern gelernt wird. Menschen mit geringer Resilienz suchen die Schuld für Misserfolge dagegen bei sich. Bauen Sie deshalb auf: Hugentobler, Sie haben Mist gebaut, aber können Sie das nicht dem Müller in die Schuhe schieben?
  • Fokussierung
    Fokussieren Sie die Mitarbeitenden auf ein Ziel, das sie auch in der Krise weiterverfolgen können, zum Beispiel: Erledigen Sie unser Kommunikationskonzept und vergessen Sie jetzt mal Ihre gebeutelte Familie.
  • Selbstreflexion
    Machen Sie einen Workshop, in dem die Mitarbeitenden ihre schlimmsten privaten Erlebnisse schildern und wie sie sie gemeistert haben. Ziel ist zu zeigen, dass alle Krisen überstanden wurden und damit die besten Voraussetzungen gegeben sind, auch zukünftige Krisen zu meistern.
  • Verarbeitung
    Geben Sie den Mitarbeitenden im persönlichen Entwicklungsplan vor, dass sie ein Tagebuch führen sollen, weil dies hilft, die Gedanken zu sortieren und Erlebnisse zu verarbeiten. Falls dies nicht die erwünschte Wirkung hat, publizieren sie die Tagebücher.

Fazit:
Resilienz stärkt die Abwehrkräfte Ihrer Belegschaft. Zwar werden durch die Übungen die Kreativität und die Energie der Mitarbeitenden abnehmen, aber bedenken Sie, was Sie an Kosten und Aufwand gespart haben, um ein würdevolles Arbeitsumfeld (Prozesse und Systeme anpassen, Definition der Anforderungen, Anerkennung zusprechen, Respekt zollen, Führungs- und Kommunikationskultur verbessern usw.) zu schaffen.

Hauptbildnachweis: Unsplash