Abkehr vom traditionellen Bild der Dividendenwerte

Familiengeführte KMUs sind in der Regel agiler als Konzerne und generieren ein höheres Dividendenwachstum. Investoren sollen deshalb ihr traditionelles Bild von Dividenden um KMUs erweitern. Dies bietet auch in Zeiten höherer Inflation und steigender Zinsen attraktive Ausschüttungen und Renditechancen.

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, die Corona-Pandemie und ein Angriffskrieg in Europa. Innerhalb weniger Jahre folgte eine Krise auf die andere – «Polykrisen» nennt man dieses Phänomen, in dem wir uns politisch und ökonomisch befinden. Der Wettlauf zwischen politischen und ökonomischen Systemen hat Auswirkungen auf den Welthandel und die Lieferketten. Hinzu kommt, dass erst kürzlich wieder Sorgen im Bankensektor Stützungsmassnahmen der Zentralbanken erforderlich machten. Darüber hinaus führen die energiepolitische Umstellung der Wirtschaft hin zu nachhaltigen Energiequellen und der demographische Wandel zu einem höheren Inflationsumfeld.

Corona-Pandemie als Feuertaufe
All das hat auch Auswirkungen auf Dividendenwerte, deren erste Feuerprobe seit der Finanzkrise die Corona-Pandemie war. Produktion und Lieferketten kamen weltweit zum Erliegen und die Auswirkungen auf das tägliche Leben waren lange unklar. Zur Erinnerung: Nach der Finanzkrise dauerte es in Europa bis 2013, bis neue Dividendenhöchststände im STOXX 600 erreicht wurden. Nach dem europäischen Dividendenrekord 2019 werden bereits in diesem Jahr neue Höchststände erwartet. In den USA feierte der S&P 500 bereits neue Dividendenrekorde.

Die absolute Höhe der Dividendenrendite ist kein Qualitätsmerkmal des Unternehmens.

Thomas Meier, Fondsmanager, MainFirst

Dies zeigt, dass Unternehmen, anders als bei vergangenen Krisen, die Ausschüttung von Dividenden an Investoren priorisieren. Die Gründe sind vielfältig: Dividenden sind zum einen Signal an den Kapitalmarkt, dass ein Unternehmen zwar mit einer konjunkturellen Verschlechterung der Lage rechnet, aber grundsätzlich weiterhin über ein erfolgreiches Geschäftsmodell mit angemessener Profitabilität und einer robusten Bilanz verfügt. Ausserdem sollen Investoren unabhängig vom kurzfristigen Aktienkursverlauf weiterhin am Unternehmenserfolg beteiligt werden.

Dividenden gleichen Inflation aus
In einem Marktumfeld mit steigenden Zinsen sowie steigender Inflation gewinnen Dividenden weiterhin an Bedeutung, da das Wachstum der Dividenden in diesem Zeitraum die Teuerungsrate ausgleicht. 2022 entsprach das Dividendenwachstum in Europa ohne Grossbritannien 11,2% und in Nordamerika 10,2%. Im selben Zeitraum lag die durchschnittliche Inflationsrate in Europa bei 8,1% und in den USA bei 7,9%. Wollen Investoren ihr Vermögen real erhalten bzw. ausbauen, sollten Dividendenwerte einen wesentlichen Baustein darstellen. Ausserdem leisten Dividenden einen zentralen Beitrag zur Gesamtrendite. Auch der defensive Charakter der Dividendentitel wird in volatilen Zeiten hoch angesehen, bei traditionellen Dividendenzahlern handelt es sich nämlich um Geschäftsmodelle, die hohe Cashflows generieren und robuste Bilanzen aufweisen. Daher ist die Volatilität von Dividendenfonds in der Regel geringer als der breite Aktienmarkt.

Höhe der Dividende ist kein Qualitätsmerkmal
Bei der Auswahl von Dividendentitel sind dennoch einige Fallstricke zu beachten. Investoren sollten sich nicht dazu verleiten lassen, bei Dividenden nur auf die absolute Zielgrössen zu achten. Die absolute Höhe der Dividendenrendite ist kein Qualitätsmerkmal des Unternehmens. Stattdessen sollten Investoren Unternehmen unter ganzheitlichen Gesichtspunkten selektieren. Dies mit dem Ziel, eine langfristig erfolgreiche Unternehmensentwicklung zu fördern und somit die Kontinuität und Höhe der Dividende zu sichern. Firmen, die aus der Unternehmenssubstanz zahlen, sind als Investitionen ebenso ungeeignet wie Unternehmen mit strukturellen Veränderungen in ihrem Geschäftsmodell. Eine solche Herausforderung sehen wir derzeit beispielsweise bei Immobilienwerten aufgrund des ansteigenden Zinsumfelds.

Schindler als Dividendenperle
Das Schweizer Familienunternehmen Schindler zum Beispiel hat trotz Pandemie Dividenden zuverlässig an seine Anteilseigner ausgeschüttet. Der Lift- und Fahrtreppenspezialist ist für uns Sinnbild einer familiengeführten Firma und repräsentiert unsere Präferenz für klein- und mittelgrosskapitalisierte Unternehmen Ein weiteres Beispiel ist Corticeira Amorim. Ein portugiesisches Familienunternehmen seit 1870, welches Weltmarkführer bei Weinkorken ist. Sie reagieren dynamischer und agiler bei den Kostenanpassungen und besitzen durch ihre führende Nischenpositionierung sowie Innovationskraft grosse Preissetzungsmacht.

Erweiterung des traditionellen Bildes der Dividendenwerte
Im Umfeld rascher Veränderungen zahlt sich die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, aus. Diese Adaptionsfähigkeit führt bei guten Unternehmen zu Marktanteilsgewinnen und einer nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswertes. Es lohnt sich deshalb, das traditionelle Bild der Dividendenwerte, um KMU zu erweitern. Gerade in volatilen Phasen, wie der Corona-Pandemie, bleiben diese Unternehmen besonnen und halten ihre Forschungs- und Entwicklungsbudgets konstant. Ihre robusten Bilanzen haben die Erholungsphase nach der Pandemie beschleunigt und stellen auch im derzeit teuren Zinsumfeld einen Wettbewerbsvorteil dar. Sinnvoll ist es heutzutage, bei der Vermögensallokation auf eine Mischung aus dividendenorientierten Werten, Unternehmensperlen in Nischenmärkten sowie langfristig denkenden Familienunternehmen zu setzen.

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