Die Künstliche Intelligenz (KI) steht vor dem Durchbruch

Bis vor wenigen Monaten war der Begriff «Künstliche Intelligenz» (KI) für viele Menschen ein abstraktes, kaum greifbares Schlagwort. Dies änderte sich mit der Einführung des Chatbots ChatGPT. Der virtuelle Helfer beantwortet Fragen, übersetzt oder programmiert selbstständig. Dank neuartigen Algorithmen, riesigen Datenmengen und immer stärkeren Rechenleistungen werden die intelligenten Programme in immer mehr Anwendungsgebieten eingesetzt.

Im Sommer 1956 trafen sich mehrere Wissenschaftler um den Informatiker John McCarthy am renommierten Dartmouth College zum mehrwöchigen Austausch über «künstlichen Intelligenz». Die Konferenz gilt gemeinhin als Geburtsstätte des mittlerweile allgegenwärtigen Begriffs. Die weitere technologische Entwicklung war geprägt von abwechselnder Euphorie und Ernüchterung. Staatliche Forschungshilfen wurden auf- und wieder abgesetzt. Dies auch, weil wichtige theoretische Grundlagen heutiger Modelle zwar bereits im letzten Jahrhundert entwickelt wurden, aber erst durch den starken Anstieg von Rechenleistung und verfügbarer Datenmenge richtig einsetzbar wurden.

Laut dem renommierten Marktforschungsinstitut Gartner wurden im Jahr 2022 62.5 Milliarden US-Dollar mit KI-Software umgesetzt. Im Jahr 2025 sollen es bereits 134.8 Milliarden US-Dollar sein.

Thomas Rühl, Chief Investment Officer, Schwyzer Kantonalbank

Sei es die Gesichtserkennung in Smartphones, ein virtueller Sprachassistent oder auch autonomes Fahren: Es entstehen immer mehr Anwendungsbereiche, welche auf die eine oder andere KI-Form zurückgreifen. Eine Umfrage von IBM unter weltweit mehr als 7'500 Unternehmen zeigt, dass 35% davon KI bereits aktiv einsetzen und weitere 42% deren Einsatz prüfen. Laut dem renommierten Marktforschungsinstitut Gartner wurden im Jahr 2022 62.5 Milliarden US-Dollar mit KI-Software umgesetzt. Im Jahr 2025 sollen es bereits 134.8 Milliarden US-Dollar sein und das Marktwachstum soll sich weiter beschleunigen. Längerfristige Schätzungen des kanadischen Researchunternehmens Precedence erwarten bis 2030 gar ein jährliches Wachstum von beinahe 40%.

Künstliche Intelligenz: Was ist das?
Die Expertengruppe der Europäischen Union definiert künstliche Intelligenz als: «System, das seine Umwelt analysiert und mit einer gewissen Autonomie agieren kann, um ein Ziel zu erreichen». Technisch gesprochen handelt es sich dabei um ein Teilgebiet der Informatik, deren Ziel es ist, menschliches Denken und Lernen auf eine Maschine zu übertragen. Während die «Intelligenz» von älteren KI-Systemen wie beispielsweise dem Schachcomputer «Deep Blue» in der enormen Rechenleistung lag, versuchen neuartige Modelle menschliche Denk- und Entscheidungswege zu imitieren. In der Regel werden hierfür grosse Datenmengen auf Korrelationen und Muster analysiert, um darauf basierend Vorhersagen zu treffen. Künstliche neuronale Netze sind der Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachempfunden. Sie werden so trainiert, dass der Computer Zusammenhänge erkennt und diese so gewichtet, dass er letztlich ein möglichst korrektes Resultat wiedergibt. Das neuronale Netz von ChatGPT (V3.5) besteht aus über 170 Mrd. Parametern. Damit das System die Muster möglichst richtig erlernt, sind Unmengen an Daten notwendig. Die Voraussetzungen hierfür sind gut. Die International Data Corporation (IDC) rechnet damit, dass sich das weltweite Datenvolumen von 2022 bis 2026 nochmals verdoppelt.

KI vor dem iPhone-Moment?
Der Einsatzbereich von KI-Systemen ist gross. In fast allen Bereichen stossen wir mittlerweile offen oder verdeckt auf die intelligenten maschinellen Helfer. Während Anwendungen wie Sprachassistenten oder Chatbots offen zu Tage treten, agieren die meisten KI-Anwendungen im Verborgenen. Sie automatisieren Lagerabläufe, schützen vor Kreditkartenbetrug, steuern die Datenflüsse im Internet oder unterstützen im medizinischen Bereich. So erzielt beispielsweise die Bilderkennungssoftware des britischen Unternehmens Kheiron bei Brustkrebsdiagnosen mittlerweile ähnlich verlässliche Resultate wie Radiologen. Dies hilft dabei, Ärzte zu entlasten, Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren und Kosten zu senken. Ähnlich wie das iPhone bei seiner Einführung im Jahr 2007 bergen heutige KI-Systeme das Potenzial, viele Wirtschafts- und Lebensbereiche nachhaltig zu verändern.

Technologie birgt Risiken
Im vergangenen März forderten gleich mehrere angesehene Tech-Experten eine Pause bei der Anlernung neuer textbasierter KI-Systeme. Deren Befürchtung: Die Programme könnten diskriminierend oder rassistisch werden, Falschinformationen verbreiten und letztlich auch zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Die Angst scheint nicht ganz unbegründet. Im Jahr 2016 musste Microsoft den Chatbot «Tay» nach nur 24 Stunden wieder vom Netz nehmen, nachdem Nutzer ihn dazu brachten sich rassistisch und antisemitisch zu äussern. Da künftige KI-Programme auch ohne menschliche Kontrolle voneinander lernen werden, könnte die Verbreitung von «Fake News» noch beschleunigt werden. Dass die neue Technologie auch zu Veränderungen am Arbeitsmarkt führen wird, ist unausweichlich. Neue Berufszweige werden entstehen, während andere an Bedeutung verlieren werden. Anders als bei der industriellen Revolution oder der Verbreitung der Robotik werden körperliche Tätigkeiten (wie in akademische Berufsfeldern) weniger betroffen sein. Gefährlich scheint insbesondere auch der Missbrauch der Technologie für Massenüberwachung oder kriminelle Absichten.

Investitionsmöglichkeiten über Fonds
Anleger, die von dem künftigen Wachstum in diesem Bereich profitieren wollen, sollten auf ein breit abgestütztes Anlageinstrument setzen. Die grossen Unternehmen der Branche werden zwar vom wachsenden Markt profitieren, es entsteht durch die Technologie aber auch neuer Wettbewerbs- und Investitionsdruck. Es lohnt sich daher, auch auf kleinere, weniger prominente Unternehmen zu setzen. Angesichts des weiterhin sehr jungen Marktes sollte jedoch von einer allzu starren Indexorientierung abgesehen werden. Semi-aktive ETFs, deren Indexzusammensetzung regelmässig von Industrieexperten überprüft wird, sind kostengünstig und berücksichtigen dennoch zeitnah neue Trends.

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