Globales Kapital könnte aus den USA abfliessen

Angesichts eventueller Veränderung der US-Geldpolitik hin zu Zinssenkungen würde es nicht überraschen, wenn die globalen Kapitalflüsse von institutionellen Investoren von den USA bzw. vom US-Dollar weg und wieder hin zu nichtamerikanischen Anlagen zunehmen würden. Profiteure könnten neben europäischen Aktien vermehrt auch Schwellenländeraktien sein, besonders, wenn der US-Dollar weniger stark würde. In Phasen von US-Dollar-Korrekturen zeigte sich historisch oft eine Erholung von Schwellenländeraktien und europäischen, auch schweizerischen Aktien, weil dann US-Aktien weniger nachgefragt wurden. Auch die höhere Dividendenrendite könnte Aktien Europas inklusive der Schweiz und der Schwellenländer gegenüber den US-Aktien in Zukunft wieder mehr unterstützen.

US-Aktien waren viele Jahre lang für internationale Anleger die erste Wahl und profitierten mehr als Aktien anderer Länder oder Regionen von der Corona-Pandemie und dem Potenzial der künstlichen Intelligenz. 2022 und 2023 waren für Schwellenländer hingegen nicht nur wegen der Regulierung der Technologiefirmen und der Immobilienprobleme Chinas sowie der Null-Corona-Politik Pekings Korrekturjahre, sondern auch weil der US-Dollar Stärkephasen zeigte. Historisch ist der Zusammenhang zwischen höherem US-Dollar und schwächerem relativem Gesamtertrag von Schwellenländeraktien und Schwellenländerwährungen oft zu beobachten. Der Grund sind Kapitalflüsse in den vermeintlich sicheren Hafen des US-Dollars, obschon der Schweizer Franken eigentlich eine fundamental besser abgestützte Funktion als sicherer Hafen hat. Dies aufgrund der gesünderen Situation der Staatsfinanzen und der geringeren Verschuldung der Unternehmen in der Schweiz verglichen mit anderen Ländern sowie auch wegen der langfristig im internationalen Vergleich viel tieferen Schweizer Inflation.

Eine attraktive Dividendenrendite könnte Kapitalflüsse Richtung Schwellenländer und Europa, inklusive der Schweiz, lenken.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer, Maerki Baumann

Mit einem Abflauen der letzthin doch fast extremen US-Dollar-Stärke könnten sich Kapitalflüsse wieder vermehrt hin zu Europa und auch wieder zu den Schwellenländern bewegen und eher weg von den USA bzw. von US-Aktien. Wenn der US-Dollar einen gewissen Höhepunkt in seiner Entwicklung erreicht hat, dürften viele Schwellenländer, welche Auslandsschulden in US-Dollar halten, mittelfristig wieder eine Entlastung erhalten, d.h. sie würden weniger von der US-Dollar-Stärke belastet werden. Dies ist der fundamentale Kontext der historisch inversen Korrelation. Zudem ist anzunehmen, dass Schwellenländer einiges Potenzial zeigen, wenn China sich punkto Regulierung oder Konjunkturstimulierung marktfreundlicher präsentiert. In der Vergangenheit zeigten sich übrigens in Phasen historisch hoher Rohstoffpreise oft wieder bessere Firmenresultate in Schwellenländern im Vergleich zu anderen Regionen. Dies, weil das Wirtschaftswachstum einiger, aber nicht aller, Schwellenländer von höheren Rohstoffpreisen unterstützt werden kann. Vor allem aber sollten Schwellenländeraktien von einer wirtschaftlichen Erholung Chinas profitieren, falls sich die chinesische Regierung zu mehr Konjunkturstimulierung entscheidet, wofür das Potenzial ansteigt. China ist wichtiger Handelspartner nicht nur von lateinamerikanischen Staaten (via Rohstoffnachfrage), sondern auch von europäischen Ländern (über den Tourismus und die Luxusgüternachfrage), weshalb auch europäische Aktien von einer besseren chinesischen Konjunktur profitieren könnten. Gleichzeitig erscheint die Bewertung der europäischen Aktien und der Schwellenländer sowohl gegenüber dem Weltaktien-Index wie auch gegenüber US-Aktien interessant. Besonders im sogenannten Kurs-Substanzwert-Verhältnis, aber auch im bekannteren Kurs-Gewinn-Verhältnis basierend auf erwarteten Konsensgewinnen sind europäische Aktien und Schwellenländeraktien gegenüber US-Aktien nicht teuer bewertet. Nachdem einige Jahre lang US-Aktien besonders in der Gunst der globalen Anleger standen, könnte daher das Interesse der global wichtigen institutionellen Anleger mehr Richtung Europa oder Schwellenländer tendieren. Erste Anzeichen einer Veränderung der Kapitalflüsse hin zu Schwellenländern und Europa sind bereits zu erkennen und zeigen ein Aufwärtspotenzial für diese Regionen an. Auch die im Vergleich zu US-Aktien attraktivere, weil höhere Dividendenrendite von europäischen Aktien und Schwellenländeraktien macht diese Regionen gegenüber den US-Aktien zusätzlich interessant. Aber auch schweizerische Aktien gehören bekanntlich zu den europäischen Aktien und haben ebenfalls eine attraktive Dividendenrendite. Die Dividendenrendite der US-Aktien ist nur rund halb so hoch wie die der Schweizer Aktien, der Aktien der Eurozone oder der Schwellenländeraktien.

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