White Collar – Beförderungen

«White Collar» ist unsere Satire-Kolumne über (Un-)Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der neuen Folge widmet sich Andreas Hönger der Beförderungspolitik. Sie ist neben der Entlöhnung ein zentrales Thema in der Personalführung. Die Bank Pluspromoto geht hier neue Wege, indem sie die klassische Beförderung und Titelstruktur durch ein Tokensystem ersetzt. Wir haben mit der Personalchefin der Pluspromoto AG, Vreni Füglistaller, über Hinter- und Beweggründe gesprochen.

Vreni Füglistaller, Sie haben Beförderungen und Titel abgeschafft?

Vreni Füglistaller: Ja, es gibt bei uns weder einen üblichen Beförderungsprozess noch eine klassische Titelstruktur. Mitarbeitende werden belohnt, wenn sie möglichst viele RCT's (Recognition & Commitment Token) verdient haben.


Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Neben den unvernünftig hohen administrativen Aufwänden beweisen Studien, dass Beförderungen weder glücklicher noch gesünder machen, sondern das anfängliche Gefühl der Zufriedenheit über höheren Status und mehr Lohn durchschnittlich nach drei Jahren durch Frustration abgelöst wird, verursacht durch höheren Stress und weniger Freizeit (David Johnston/Wang-Sheng Lee: Extra Status and Extra Stress: Are Promotions Good for Us?, IZA Discussion Paper No 667, 2013). Durch die RCT's wollen wir solche Schwankungen vermeiden und die Anreize sollen kontinuierlich und ständig auf hohem Niveau gehalten werden.

Wird damit der Stress nicht noch mehr erhöht?

Kann sein, es ist aber die falsche Frage. Entscheidend ist, dass Mitarbeitende ständig ihr Bestes geben und Mehrwert für das Unternehmen generieren. Unsere Messungen bestätigen diesbezüglich die Wirksamkeit der RCT's.

Am sichersten macht man Karriere, wenn man anderen den Eindruck vermittelt, es sei für sie von Nutzen, einem zu helfen.

Jean de La Bruyère (1645 – 1696)

Wie funktionieren diese RCT's?

Es funktioniert wie bei Online-Portalen. Dort werden die Produkte und Dienstleistungen auch von den Kunden direkt bewertet. Das hat nur Vorteile: Echtzeitbewertung, kein Papierkram und kein Aufwand für die Bank. Bei uns bewerten alle Mitarbeitenden alle anderen Mitarbeitenden mit 1 bis 3 RCT's, je nach Geschwindigkeit und Qualität der Dienstleistungserbringung. Für jede abgegebene Bewertung erhält der Bewertende selbst 0,2 RCT. Zur Wahrung der Unabhängigkeit werden einzig die Mitglieder der Geschäftsleitung nicht bewertet; sie haben automatisch immer ein Token mehr als der beste Mitarbeitende.

Was passiert, wenn jemand nicht bewertet oder nicht bewertet werden will?

Selbstverständlich respektieren wir die Persönlichkeit der Mitarbeitenden. Niemand muss mitmachen. Allerdings bedeutet dies, dass man in der Bewertung stehenbleibt oder vielmehr sinkt, weil man von Anderen überholt wird.

Also gibt es einfach eine andere Hierarchie?

Nein, die Anzahl Tokens bestimmt lediglich Lohn und Bonus, nicht aber Hierarchie, Entscheidungsmacht und Kompetenzen. Wir umgehen damit gleichzeitig auch das Peter-Prinzip; weil niemand befördert wird, wird auch niemand bis zur Stufe seiner Unfähigkeit befördert.

Aber der Aufstieg nach Plan ist damit nicht mehr möglich?

Solche Aufstiege erfolgten ja nur aufgrund von schlechten, ungerechtfertigten Kriterien oder Vetterliwirtschaft-Seilschaften. Unsere Tokens sind da viel demokratischer und effizienter: «Up or Out» und «Grow or Go» bekommen eine ganz neue Bedeutung. RCT's sind der neue Standard; vollständig transparent und jederzeit aktuell. Unser System ist dadurch viel wirksamer und schneller – sogar weit effizienter als die Selektion bei den berühmten Beratungsunternehmen.

Und wann weiss man, ob man gut ist bzw. was für einen Tokenstand braucht man dazu?

In jedem System gibt es eine Position, die einem Respekt verschafft. Bei der Pluspromoto sind das zurzeit etwa 3'000 Token; ab 4'000 Token ist man in der Spitzengruppe dabei. Aber wie gesagt: Es gibt keine Pause und es gilt, den Punktestand täglich zu verbessern; die Anderen tun es auch.

Frau Füglistaller, besten Dank für das Gespräch.

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