Warum der Kuschelkurs der Finma ein Ende haben muss

Die deutsche Bankenaufsicht (Bafin) macht es vor: sie zeigt Zähne und rügt fehlbare Finanzplatzakteure in Deutschland öffentlichkeitswirksam mit klaren und unmissverständlichen Worten. Ein Vorgang, der auf dem helvetischen Finanzplatz undenkbar wäre, denn das Schweizer Pendant der Bafin, die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma, ist ein zahnloser Tiger, um nicht zu sagen ein handzahmes Kätzchen.

Die verunglückte Migration der Postbank-IT auf die Systeme der Deutschen Bank ist in unserem Nachbarland derzeit ein grosses mediales Thema. Branchenbeobachter und IT-Experten sprechen von einem Desaster. Betroffene Kunden können teilweise seit Wochen nicht mehr auf ihre Konten zugreifen. Die Hotline der Postbank ist personell unterbesetzt und hoffnungslos überlastet. Die abschliessende Aufarbeitung der peinlichen Panne dürfte sich gemäss den Verantwortlichen noch bis Ende Jahr – Sie haben richtig gelesen – hinziehen. Vor diesem Hintergrund sah sich die Bafin veranlasst, Klartext zu reden. In einem deutschen Nachrichtenmagazin kritisierte Mark Branson, der aktuelle Chef der deutschen Bankenaufsicht, mit ungewöhnlich deutlichen Worten die Probleme der Postbank. Es gebe nicht allein ein IT-Migrationsproblem, sondern «tiefgreifende Störungen im Kundenservice», liess er sich unverblümt verlauten und prangerte den unrühmlichen Vorgang als «inakzeptabel» an. Auch wenn es sich dabei nur um eine mediale Ohrfeige an die Adresse der verantwortlichen Bank-Manager handelt, zeigt die Reaktion der deutschen Bankenaufsicht exemplarisch, an was es der Finma, mangelt – an einem gesunden Selbstverständnis und an am fehlenden Mut, Missstände öffentlichkeitswirksam zu thematisieren. Stattdessen flüchtet sich der Schweizer Regulator in Krisensituationen reflexartig in die Defensive, verschanzt sich hinter verschlossen Türen und hüllt sich vorzugsweise in vornehmes Schweigen.

Katzen erreichen mühelos, was uns Menschen versagt bleibt: Durchs Leben zu gehen, ohne Lärm zu machen.

Ernest Hemingway (1899 – 1961), US-amerikanischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger

Erforderlich wäre ein neues Selbstverständnis
Die Finma steht bereits seit längerer Zeit in der Kritik. Den einen ist die Schweizer Aufsichtsbehörde insgesamt zu träge. Für die anderen agiert sie nicht auf Augenhöhe mit den Bankinstituten, die sie zu beaufsichtigen hat. Klar ist, dass der Untergang der Credit Suisse einen negativen Höhepunkt in der Geschichte der Finma markierte. Ihr Handeln im Zusammenhang mit dem schleichenden Exitus der Schweizer Grossbank muss im Rückblick als zu zögerlich, zu wenig konsequent und als zu nachlässig bezeichnet werden. Insgesamt ein Totalausfall. Natürlich kann man einwenden, dass es sich um ein sehr komplexes und anspruchsvolles Ereignis von enormer Tragweite handelte, dass sich über Jahre aufgebaut hat. Und ja, die Finma verfügt nur über eingeschränkte fachliche und personelle Ressourcen, weshalb sich ihre Tätigkeit im Wesentlich darauf beschränkt, Prüfaufgaben an Dritte zu delegieren. Sie ist dadurch – im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen – faktisch gar nicht in der Lage, selbstbewusst aufzutreten und Fehlentwicklungen pointiert zu benennen. Womit wir beim Kern des Problems wären: der Schweizer Aufsichtsbehörde fehlt es aufgrund ihrer Ausgestaltung ganz grundsätzlich an einem gesunden Selbstverständnis, was ihr allerdings nur bedingt anzulasten ist. Richtig ist nämlich auch, dass sie von den ihr übergeordneten politischen Instanzen nie mit schlagkräftigen Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet wurde, die es ihr erlauben würden, emanzipierter und entschlossener zu handeln.

Die Vorstellung, dass die Finma einen vergleichbaren Postbank-Fall in der Schweiz ähnlich energisch und öffentlichkeitswirksam agieren würde, bleibt also vorderhand Wunschdenken – und die Schweizer Bankenaufsicht ein schnurrendes Kätzchen.

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