So läutet KI einen iPhone-Moment im Automobilsektor ein

Vor der Erfindung des iPhones beschränkte sich die Funktion eines Mobiltelefons auf das Tätigen und Entgegennehmen von Anrufen, das Senden von Textnachrichten, das Einstellen eines Weckers und das Spielen von Snake. Das iPhone war nicht nur ein cooles neues Gerät: Es schuf ein völlig neues Ökosystem von Anwendungen für sowohl bestehende als auch neue Unternehmen. Mit ein paar Fingertipps auf dem Bildschirm kann fast alles, was Sie sich wünschen, bei Ihnen zu Hause auftauchen.

Auf der Consumer Electronics Show (CES) 2024 der CTA zogen Autos grosse Aufmerksamkeit auf sich. Das vorherrschende Gefühl unter den Teilnehmern war, dass die KI-Reise in der Automobilindustrie gerade erst begonnen hat. Grosse Autobauer wie Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen haben auf generative KI gestützte virtuelle Assistenten vorgestellt. Damit werden bestehende Infotainmentsysteme, die für relativ einfache Befehle ausgelegt sind, auf ein Niveau angehoben, das nicht nur anspruchsvollere Funktionen, sondern auch ein wesentlich individuelleres Nutzererlebnis bietet.

Audi gibt an, dass seine Produktionsmitarbeiter früher 5‘000 Schweisspunkte pro Fahrzeug mit Ultraschall geprüft haben. Im Gegensatz dazu kann KI jetzt 1,5 Millionen Schweisspunkte an 300 Fahrzeugen in einer einzigen Schicht analysieren.

Mobeen Tahir, Director Macroeconomic Research, WisdomTree

Fast alle modernen Autos, die heute auf den Markt kommen, sind mit Internetanschluss und grossen Bildschirmen ausgestattet. Das ebnet den Weg für ein völlig neues Ökosystem von Anwendungen für mobile Menschen. Ein Auto, das seine Fahrgäste kennt, kann ihnen persönliche Empfehlungen geben, welche Strecken sie nehmen sollten, wo sie etwas essen können und wie sie sich während der Fahrt unterhalten lassen können. Und das ist erst der Anfang. Ein intelligentes Infotainmentsystem trägt auch zur Sicherheit bei, da es vorausschauende Wartungshinweise geben kann. Für Manager von Fahrzeugflotten können Fahrzeuge, die mit einem zentralen Dashboard verbunden sind, ihre Arbeit erheblich vereinfachen.

Dann gibt es noch das autonome Fahren. Es wird oft gewitzelt, dass autonomes Fahren immer zwei Jahre von der Realität entfernt ist. Das gilt aber nur, wenn man autonomes Fahren als vollständig autonomes Fahren unter allen Bedingungen definiert – was technisch als autonomes Fahren der Stufe fünf bezeichnet wird. Die Fortschritte auf dem Weg dorthin dürfen jedoch nicht ausser Acht gelassen werden. Nach Angaben von Waymo, einem autonomen Ridehailing-Unternehmen in den USA, sind seine Autos bereits über 10 Millionen Kilometer ohne einen Menschen am Steuer gefahren und weitere Milliarden Kilometer in Simulationen. Das Unternehmen hat angekündigt, dass sein Service noch in diesem Jahr in vier grossen US-Städten für die Öffentlichkeit verfügbar sein wird.

Die Chance für Automobilunternehmen
Autos transportieren nicht nur Menschen von A nach B, sie verkörpern auch das Stilbewusstsein der Menschen – deshalb ist Design wichtig. KI kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. So hat das Toyota-Forschungsinstitut eine neue KI-Technik entwickelt, mit der die Anzahl der erforderlichen Änderungen reduziert werden kann, um technische Notwendigkeiten wie die Optimierung der Aerodynamik eines Fahrzeugs in einem Originaldesign zu berücksichtigen. Das Originaldesign selbst kann auf umfangreiche Inspiration durch generative KI-Tools für Text und Bild zurückgreifen. KI kann zur Optimierung der Lieferkette beitragen, indem sie Materialien, Komponenten und Fertigprodukte verfolgt und so Verzögerungen in der Fertigung verringert. Das kann Abläufe rationalisieren und Kosten für die Lagerhaltung senken. An der Produktionslinie selbst können KI-Tools zu einer besseren Qualitätskontrolle beitragen. Beispielsweise gibt Audi an, dass seine Produktionsmitarbeiter früher 5‘000 Schweisspunkte pro Fahrzeug mit Ultraschall geprüft haben. Im Gegensatz dazu kann KI jetzt 1,5 Millionen Schweisspunkte an 300 Fahrzeugen in einer einzigen Schicht analysieren, sodass sich die Arbeitskräfte auf Unregelmässigkeiten konzentrieren können.

Intelligentere Städte, angetrieben durch KI
Auch in intelligenten Städten findet KI viele Anwendungsmöglichkeiten. KI kann bei der Entwicklung intelligenter öffentlicher Verkehrswege helfen, die sich an Nachfragemuster anpassen. KI kann den Verkehr besser steuern, indem sie Ampelschaltungen optimiert und den Verkehr umleitet. KI kann Autofahrern helfen, auf der Grundlage von Echtzeitdaten Parkplätze zu finden, was wertvolle Zeit spart und Staus abbaut. KI kann die besten Standorte für den Aufbau von Ladeinfrastruktur ermitteln. Darüber hinaus kann KI durch Routenoptimierung bei der Auslieferung auf der letzten Meile helfen.

Uns erwartet eine spannende Zukunft
So wie das internetfähige iPhone die Welt zu neuen Denkweisen über Konnektivität gezwungen hat, zwingen KI-gesteuerte Autos die Welt dazu, Mobilität zu überdenken. Und so wie Ersteres unermessliche Möglichkeiten für Unternehmen geschaffen hat, werden es auch Letztere tun.

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