Der erste von vielen Zinsschritten ist getan

In den vergangenen Monaten sah sich die US-Notenbank (Fed) mit steigender Kritik konfrontiert. Ihr wurde vorgeworfen, die Inflationsgefahren zu unterschätzen und der Entwicklung hinterherzuhinken. Nachdem sich in den letzten Wochen schon eine Kehrtwende der Geldpolitik angedeutet hat, nahm die Fed nun die erste Anhebung des Leitzinses vor.

Neben dieser bereits erwarteten Massnahme blickten die Märkte gespannt auf die weitern Verlautbarungen und Signale der Fed. Die US-Notenbanker bekundeten in klaren Worten ihre Absicht, alles zu tun, um die zuletzt stark angestiegenen Inflationserwartungen wieder zu dämpfen. In ihren Prognosen nahm die Zentralbank die Wachstumserwartungen für dieses Jahr deutlich nach unten und die Inflationsraten nach oben. Für die grösste Überraschung sorgte jedoch der prognostizierte Zinspfad: Nicht weniger als sieben Zinsschritte um 25 Basispunkte sehen die Mitglieder des Offenmarktausschusses für dieses Jahr, womit der Korridor des Leitzinses auf 1,75 Prozent bis 2 Prozent ansteigen würde. Für das Jahr 2023 werden vier weitere Zinsanhebungen auf dann 2,75 Prozent bis 3 Prozent erwartet, was über den bisherigen Markterwartungen liegt. Die Wirtschaftsprognosen für 2023 und 2024 gehen in Richtung Potentialwachstum zurück, während die Arbeitslosigkeit auf niedrigem Niveau verharrend gesehen wird.

Es gilt nun zu verhindern, dass sich die angestiegenen Inflationserwartungen verfestigen. Das will die Fed um jeden Preis vermeiden. Verkompliziert wird die Situation durch die drastischen Preissteigerungen bei einigen Rohstoffen, die in ihrem Umfang einzigartigen Sanktionen gegen Russland sowie die Auswirkungen der Flüchtlingsströme in Europa.

Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer, DWS

Bezüglich eines möglichen Abbaus der drastisch angewachsenen Fed-Bilanz bemerkte Fed-Präsident Jerome Powell, dass dies auf einer «kommenden» Sitzung in Angriff genommen werden würde, ohne jedoch weitere Details über die Vorgehensweise zu geben. Diese etwas zögerliche Haltung dürfte der jüngsten Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen geschuldet sein, was nicht zuletzt am Krieg in der Ukraine liegt. Eine genaue Prognose, inwieweit der Krieg die US-Wirtschaft beeinträchtigen könnte, konnte Powell nicht geben. Zusammenfassend kann man aber festhalten, dass sich die US-Zentralbank jetzt mit Hochdruck dem Thema «Inflationsbekämpfung» widmen wird, was sich besonders durch den erwarteten Zinspfad manifestiert.

Markt- und politische Auswirkungen
Die Geldpolitik dürfte 2022 vor einigen Herausforderungen stehen. So beschrieb Fed-Präsident Powell die Lage am US-Arbeitsmarkt als «sehr, sehr eng» und fügte hinzu, dass die Knappheit bereits ein «ungesundes» Niveau erreicht hat. Daher gilt es nun zu verhindern, dass sich die angestiegenen Inflationserwartungen verfestigen. Das will die Fed um jeden Preis vermeiden. Verkompliziert wird die Situation durch die drastischen Preissteigerungen bei einigen Rohstoffen, die in ihrem Umfang einzigartigen Sanktionen gegen Russland sowie die Auswirkungen der Flüchtlingsströme in Europa. In Bezug auf diese Risiken verfügt auch die Fed über keine Kristallkugel, weshalb sie wohl gegebenenfalls bei einer veränderten Datenlage ihren Kurs anpassen würde. So wird die Zukunft zeigen, ob die Zentralbank tatsächlich den Leitzins über das neutrale Niveau, welches aktuell auf 2,4 Prozent taxiert wird, hinaus anheben kann. Bei den Wachstumserwartungen ist die Fed für dieses Jahr deutlich zurückhaltender und erwartet nur noch 2,8 Prozent nach zuvor 4 Prozent. Für das präferierte Inflationsmass, den Kern-Deflator der Konsumausgaben, wurde die Prognose für 2022 von 2,6 auf 4,3 Prozent angehoben. In den nächsten beiden Jahren erwartet die Zentralbank aber wieder einen Rückgang. Übersetzt bedeuten all diese Prognosen, dass die Fed optimistisch ist, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bekommen, ohne eine Rezession zu verursachen.

Auswirkungen auf die Anlageklassen
Anleihen und Währungen: Die Anleihemärkte haben relativ moderat auf die Neuigkeiten reagiert. Der Zinsschritt war bereits erwartet worden, vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine schien sogar eine Anhebung um 50 Basispunkte ein realistisches Szenario. Unser Basisszenario für die USA lautet nach wie vor «Wachstumsflation». Wir erwarten eine leichte Abflachung der US-Zinskurve sowohl für die Segmente zwei bis zehn Jahre, wie auch für 10 bis 30 Jahre. Für Europa gehen wir derzeit aufgrund der geographischen und wirtschaftlichen Nähe zum Kriegsgeschehen von einer Stagflation aus. Anleihen mit Risikoaufschlag dürften volatil bleiben. Bei Währungen sind derzeit zu viele Variablen im Fluss, um belastbare Prognosen für einen längeren Zeitraum zu machen. Beispiel Euro/Dollar: Die Zinserhöhung der Fed sowie ihre weitere erwartete Geldpolitik werden das nominale Renditegefälle zu Europa vergrössern, was dem Dollar zugutekommen dürfte. Dennoch gibt es zwei gegenläufige Faktoren. Die Abschwächung der Kriegsrhetorik sowohl in der Ukraine als auch in Russland hat zu einem starken Rückgang der Inflationserwartungen in der Eurozone geführt. Denn man hofft, dass der Rohstoffschock nicht so schwerwiegend und lang anhaltend ausfällt, wie von den Märkten noch vor einer Woche befürchtet. Das reale Renditegefälle wirkt sich somit positiv auf den Euro aus. Die sich aufhellende Stimmung hinsichtlich des globalen Wachstums, nachdem die chinesischen Regierungsvertreter kürzlich versprochen haben, den Aktienmarkt zu stützen, und Powells positiver Ton bezüglich der Aussichten für das US-Wirtschaftswachstum unterstützen die prozyklischen Währungen, einschliesslich des Euro. Natürlich können sämtliche genannten Faktoren schon in einer Woche, und erst recht in einem Monat oder einem Jahr völlig anders aussehen!

Aktien: Der kurzfristige Fokus der Aktienmärkte liegt weiterhin auf Putins Krieg, den potenziell daraus resultierenden Re-zessionsrisiken, insbesondere in Europa, und der Entwicklung der 10-jährigen US-Renditen. Die Fed befindet sich in einem Dilemma: Einerseits hinkte sie bei der Inflationsbekämpfung schon vor den jüngsten Rohstoffpreisschocks bereits meilen-weit hinter den Geschehnissen zurück, andererseits könnte die bereits sichtbare Verschlechterung der finanziellen Bedingungen der Wirtschaft zusetzen. Bisher waren die Aktienmärkte bereit, der Fed zuzutrauen, diesen heiklen Balanceakt zu meistern. Doch angesichts von Putins Krieg, Chinas steigenden Covid-Zahlen und Lockdowns, anhaltenden Problemen in der Lieferkette, Inflationsdruck und nicht zuletzt Unsicherheiten hinsichtlich des Endes der Corona-Restriktionen in einigen entwickelten Märkten gibt es ganz offensichtlich viele – und voneinander abhängige – Variablen. Dies macht es schwierig, ein überzeugendes Grundgerüst für die Aktienmärkte zu entwerfen oder die Auswirkungen eines einzelnen Faktors wie die bevorstehenden Schritte der Fed zu isolieren. Abgesehen davon sollten Aktien mit hoher Abhängigkeit vom Zinspfad (etwa Wachstumswerte, deren Bewertung hauptsächlich auf den Erträgen in ferner Zukunft beruht) wahrscheinlich am meisten leiden, wenn die US-Marktzinsen im Zuge der Leitzinserhöhung weiter steigen sollten. Andere Sektoren, insbesondere der Bankensektor, könnten dagegen profitieren.

Alternative Anlagen: Bei einer isolierten Betrachtung gehen wir davon aus, dass steigende US-Zinsen weder für private Infrastrukturanlagen noch für US-Immobilien grosse Auswirkungen haben werden. Infrastruktur-Investitionen werden in der Regel langfristig und zu festen Zinssätzen finanziert. Die Kreditnehmer haben somit in vielen Fällen die historisch niedrigen Zinsen zur Refinanzierung genutzt und sich somit die günstigen Finanzierungskonditionen gesichert, womit die meisten Infrastrukturanlagen vor einem Zinsanstieg geschützt sein sollten. Teilweise können darüber hinaus Netzbetreiber Zinserhöhungen über steigende Tarife an die Kunden weitergeben. Allerdings könnte sich ein steigendes Zinsniveau über höhere Diskontierungssätze auf die Bewertungen auswirken, insbesondere bei Vermögenswerten mit begrenztem regulatorischem Schutz oder mit niedrigem Potential für Ertragswachstum. In einem möglichen Stagflationsszenario in Europa könnte regulierte Infrastruktur vergleichsweise besser abschneiden, wobei wir aber eine Diversifizierung über Core-Plus- und Value-added Strategien den Vorzug geben würden. Ähnlich verhält es sich mit US-Immobilien, wo höhere kurzfristige Zinsen nicht zwangsläufig zu einem Anstieg der längerfristigen Zinsen führen müssen. So lange der Anstieg der längerfristigen Zinsen durch steigende Inflation getragen ist, sollte sich die Inflationskomponente positiv auf Immobilienpreise auswirken. Aktuell notieren reale (inflationsbereinigte) Renditen immer noch im negativen Bereich, womit Immobilienrenditen einen interessanten Aufschlag gegenüber den Realrenditen auf Staatsanleihen bieten.

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