White Collar – Die 10 Gebote für eine erfolgreiche Reorganisation
«White Collar» ist unsere Satire-Kolumne über (Un-)Sinnigkeiten aus der Geschäftswelt. In der neuen Folge widmet sich Andreas Hönger dem Thema Reorganisation.
Reorganisationen sind in Mode. Die nachfolgenden 10 Gebote begünstigen deren erfolgreichen Umsetzung.
Regel 1: Do it
Ob notwendig oder nicht, Reorganisationen machen immer Sinn. Als Grund werden überwiegend veränderte Verhältnisse vorgeschoben. Allerdings ist dies die Ausnahme, da sich selten der Markt, die Anforderungen an die Unternehmensstruktur oder die Kundenbedürfnisse über Nacht ändern. Ausschlaggebend sind meistens andere Gründe:
- Als neuer Chef willst du deine Duftmarken setzen. Mach das Gegenteil deines Vorgängers: Beispielsweise eine zentralisierte Organisation (Kosteneinsparungen durch Wegfall von Doppelspurigkeiten) dezentralisieren (Profit Center führen zu Umsatzsteigerungen) oder Outgesourctes (spezialisierte Unternehmen können das besser) insourcen (wir können das besser selbst) und vice versa. Interessant dabei ist, dass bereits der Vorgänger Effizienzgewinne durch Reorganisation reklamiert hat und das Gegenteil wiederum Effizienzsteigerungen bringen wird
- Untergebene haben zu viel Anerkennung und Macht. Bei einer Reorganisation kann man sie elegant stürzen und in eine unwichtige Position (beliebt ist ein Kästchen Special Projects) verschieben
- Die Schlüsselfunktionen können mit loyalen Führungskräften besetzt werden, um die eigene Macht abzusichern
- Die Mitarbeitenden haben sich ein komfortables Nest eingerichtet und dösen in der Komfortzone selbstgefällig vor sich hin. Reorganisationen wecken sie auf und bringen sie wieder auf Trab. Zusätzlich hilft, wenn sich alle Mitarbeitenden auf die neuen geschaffenen Stellen bewerben müssen
- Es wurde lange nicht mehr reorganisiert
- Das Unternehmen strahlt durch die Betriebsamkeit Dynamik und Agilität aus, was den Börsenkurs freut
Regel 2: Klotzen, nicht kleckern
Denke gross und pflüge regelmässig das ganze Unternehmen um. Kümmere dich nicht um die ewigen Skeptiker (ein Big Bang gefährdet die erfolgreiche Umsetzung – oder wir müssen zuerst einen Organisationsentwurf machen und diesen laufend und schrittweise verbessern), sondern klotze. Das bringt viel mehr Stimmung, ist effektiver und geht viel schneller.
Regel 3: Struktur ist alles
Fokussiere auf Struktur, Prozesse und Rollen, nicht auf Menschen. Es ist das Einzige, das zählt. Die Personen werden sich in den Kästchen und Linien arrangieren müssen. Nur nicht weich werden und Organisationen um Personen herum bauen, die sich um Kultur, Führung und Zusammenarbeit kümmern wollen. Ist die Organisation gut strukturiert, ergibt sich alles Andere von alleine. Wenn nicht, kann nochmals reorganisiert werden. Beachte bei den Abläufen, dass jeder jeden kontrolliert. Das verhindert Machtballungen und unternehmensfeindliche Entscheide.
Stefan Fleischer (*1938), Rentner, vormals Organisator bei einer GrossbankDas Schlimmste an jeder Ordnung ist, dass es stets noch eine bessere gibt.
Regel 4: Mach es schön
Da es unzählige Möglichkeiten gibt, eine Organisation aufzustellen, lass dir den Spass beim Design nicht nehmen. Mach eine Linienorganisation am Hauptsitz und eine Matrixorganisation über die globalen Ableger. Dann noch eine Hierachie entlang der Wertschöpfungskette und zusätzlich eine Reporting Line da und einige dotted lines dort. Mische die Strukturen flexibel hierarchisch, funktional, als Matrix, zentral und dezentral. Würze das Ganze noch mit Outsourcing, Insourcing, Offshoring und Nearshoring. Und nicht vergessen: Es soll auch grafisch hübsch aussehen. Und weil es kompliziert ist, spiele zur Übersichtlichkeit mit vielen bunten Farben.
Regel 5: Du kannst das!
Glaub an dich, du kannst das. Diese Einstellung ist positiv und mobilisiert bei anderen Mitarbeitenden Energie. Ignoriere Leute, die dir sagen, dass sich deine Einschätzung nicht mit der Realität deckt und du unnötige Risiken eingehen würdest. Entgegne, dass du deine Fantasie zur Realität machst und schreite voran.
Regel 6: Hol dir Berater
Zwar solltest du die Kundenbedürfnisse und den Markt am besten kennen. Und damit die Anforderungen an die Organisation. Du bist ja der Chef. Aber da es die perfekte Lösung nicht gibt und jede Entscheidung auch Nachteile bringt, solltest du eine angesehene Beratungsfirma beiziehen. Das entlastet dich von mühsamer Arbeit und legitimiert das Resultat: Es waren die teuer bezahlten Berater, die diese Lösung empfohlen haben. Dass du sie in Wahrheit vorgegeben hast, braucht niemand zu wissen.
Regel 7: Entscheide und kommuniziere schnell
Dass der grösste Feind der neuen Ordnung ist, wer aus der alten seine Vorteile zog, wusste schon Machiavelli. Sobald die schönen Folien zur neuen Organisation vorliegen, entscheide schnell die Umsetzung. Damit überrumpelst du die aktuellen Machtinhaber, die keine Zeit für Opposition und Gruppenbildung gegen die Neuerungen haben und die Ewiggestrigen, die sich gegen jede Veränderung stellen. Jede subversive Beibehaltungsaktivität wird mangels Kenntnis und Vorbereitungszeit verunmöglicht. Zudem ersparst du dir weitere Analysen, Mitarbeiterbefragungen, teure Workshops, Projektgruppen und lange, basisdemokratische Debatten.
Regel 8: Zieh es durch
Verfolge den Plan stoisch weiter, auch wenn es Hinweise auf Hindernisse gibt. Du hast die Reorganisation entschieden und du hast viel Herzblut investiert. Das wird schon klappen, schliesslich macht es keine Falle, auf halbem Weg umzukehren.
Regel 9: Schuldzuweisung
Wenn es doch nicht klappen sollte, ist klar: Dass es nicht funktioniert hat, liegt nur an den Menschen, die die Reorganisation nicht richtig umgesetzt haben. Das liegt nicht an der Idee oder dem Umfeld. Und wenn dieses Argument nicht ziehen sollte; es waren die Berater, die das Ganze empfohlen haben.
Regel 10: Nenn es bloss nicht Restrukturierung
Nenne Reorganisationen nie Restrukturierungen. Restrukturiert werden wirtschaftlich akut angeschlagene Unternehmen. Dabei geht es vor allem darum, Kosten zu sparen und so schnell wie möglich wieder profitabel zu werden. Eine Reorganisation dagegen ist für dein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen sinnvoll, geht es doch darum, noch schlagkräftiger und noch erfolgreicher zu werden.