Kehrtwende in der globalen Geldpolitik
Die globale Geldpolitik tritt in eine neue Phase ein. Während die US-Notenbank abwartet, hat die Schweizerische Nationalbank bereits gehandelt – und könnte die Zinsen im September weiter senken. Das neue Zinsumfeld schafft Anlagechancen, aber auch neue Unsicherheiten.
Nach Jahren der Zinserhöhungen signalisiert sich 2025 eine Kehrtwende in der globalen Geldpolitik. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen bewegten sich in den letzten Wochen zwar volatil, tendierten jedoch insgesamt seitwärts. Der jüngste Anstieg der US-Kerninflation – gemessen an den persönlichen Konsumausgaben (PCE) – bleibt ein Belastungsfaktor. Diese von der Fed bevorzugte Inflationskennziffer stieg bereits im Mai erneut an, was Fragen zur Wirkung der US-Zölle auf das Preisniveau aufwirft. Die Fed will zunächst abwarten, wie stark die Inflation tatsächlich durchschlägt, und rechnet frühestens im Sommer mit belastbaren Daten.
Thomas Rühl, Chief Investment Officer, Schwyzer KantonalbankDie globale Geldpolitik tritt in eine neue Phase ein. Während die US-Notenbank abwartet, hat die Schweizerische Nationalbank bereits gehandelt – und könnte die Zinsen im September weiter senken.
Am EZB-Forum im portugiesischen Sintra hat sich Fed-Präsident Jerome Powell auffallend vorsichtig zu möglichen Zinssenkungen geäussert. Trotz wachsender Erwartungen bleibt das FOMC datenabhängig. Sollte sich der Arbeitsmarkt weiter stabil zeigen, wird die Fed ihre restriktive Haltung schrittweise lockern. Wir erwarten eine Lockerung in der Grössenordnung von 50 bis 75 Basispunkten im zweiten Halbjahr 2025 – voraussichtlich erstmals am traditionellen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole Ende August. Die Europäische Zentralbank hat im ersten Halbjahr 2025 bereits 200 Basispunkte gesenkt – mehr als jede andere grosse Notenbank. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont, dass das Inflationsziel von 2 Prozent erreicht wurde, die geldpolitische Aufgabe aber noch nicht erfüllt sei. Auch geopolitische Aspekte spielen eine Rolle: Während US-Zölle im Inland tendenziell inflationär wirken, gelten sie in Europa als deflationär. Eine weitere Zinssenkung im September erscheint wahrscheinlich, danach dürfte sich der Zyklus dem Ende zuneigen – worauf auch die leicht steigenden langfristigen Zinsen hindeuten.
SNB vor Rückkehr zu Negativzinsen?
Die Schweizerische Nationalbank hat im Juni 2025 den Leitzins gesenkt und ihre bedingte Inflationsprognose nach unten korrigiert. Der starke Franken und die anhaltend tiefe Teuerung erhöhen den Druck auf weitere Lockerungen. Die Liquiditätslage zeigt keine Anzeichen für eine Überversorgung, wie sie von 2015 bis 2022 zu beobachten war. Dennoch dürften rückläufige Inflationsraten und ein aufwertender Franken die SNB dazu bewegen, den Leitzins im September 2025 wieder unter null zu senken.