Der IPO-Markt liegt darnieder

Die wenigen Börsengänge in der Schweiz sind nur ein Symbol. Weltweit herrscht im Vergleich zum Vorjahr Flaute bei den IPOs.

Wer als Anleger mit seinen Kursverlusten in diesem Jahr hadert, kann sich trösten. Auch Unternehmen mit Börsenambitionen haben die Lage falsch eingeschätzt. Dumm gelaufen kann man nur sagen. Erst warteten viele Kandidaten am Jahresbeginn auf noch bessere Konditionen, jetzt mahnen Ukraine-Krieg, Rezessionsängste, makroökonomische Unwägbarkeiten und die fallenden Aktienkurse zur Vorsicht. Die sichtbar gestiegenen Volatilitäten an den Märkten belegen die fragile Lage.

Porsche taugt kaum zum Eisbrecher
Die Situation in der Schweiz zeigt das deutlich. In diesem Jahr tauchten mit XLife Sciences, Talenthouse und Epic Suisse nur drei vergleichsweise kleine Unternehmen an der Börse auf. Die neu gelistete Accelleron ist eine Abspaltung von ABB, deren Papiere den Aktionären ins Depot gedrückt wurden. Den Börsengang der Einheit für Elektro-Ladestationen hat ABB vorerst auf Eis gelegt. In Deutschland platzierte der Sportwagenhersteller Porsche AG am 29. September stimmrechtslose Vorzugsaktien. Es war der grösste Börsengang in Europa seit langem und ist bisher von Erfolg gekrönt. Ob er allerdings als «Eisbrecher» für die Märkte taugt, wie viele vor dem IPO mutmassten, ist eher unwahrscheinlich.

Mit 116 neuen Unternehmen und 7,5 Milliarden US-Dollar Volumen erlitten die amerikanischen Börsen Rückgänge von sage und schreibe 72 beziehungsweise 94 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

EY Global IPO Trends

Paul Go, globaler Leiter IPO der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, ist sich sicher. So schnell wird das nichts mit einer Renaissance der Börsengänge. «Mit den Unsicherheiten als grösster Herausforderung warten Unternehmen und Investoren auf eine stabilere und positivere Börsenstimmung, ehe ein nachhaltiger Appetit zurückkehrt», schreibt er in den viel beachteten EY Global IPO Trends für das dritte Quartal und die ersten neun Monate 2022. Die Globalzahl unterstützt seine Einschätzung: Bis kurz vor Ende September zogen die von EY registrierten 992 Börsengänge einen Gesamtbetrag von 146 Milliarden Dollar an. Das waren Einbrüche von 44 Prozent beziehungsweise 57 Prozent gegenüber der entsprechenden Vorjahreszeit. In Europa sackten die Erlöse bis zum Porsche-IPO sogar um 76 Prozent ab. Klar: 2021 war ein Ausnahmejahr für Börsengänge gewesen, aber jetzt wird nicht mehr viel kommen. Damit dürften auch die Emissionserlöse der eher normalen Jahre 2018 und 2019 nicht erreicht werden. Nach Angaben des britischen Finanznachrichtendienstes Finbold zog es in Tokio in den ersten neun Monaten nur noch 32 Unternehmen auf das Parkett, die Euronext musste sich sogar mit nur drei begnügen. Insgesamt stehen allein auf den Kurstableaus der fünf grössten Börsen in der Welt knapp 14'300 Adressen.

Börsen in Asien rücken weiter vor
Mit 116 neuen Unternehmen und 7,5 Milliarden US-Dollar Volumen erlitten die amerikanischen Börsen Rückgänge von sage und schreibe 72 beziehungsweise 94 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit hätten sie die geringste Aktivität in 20 Jahren erlebt, heisst es in der Studie von EY. Im Vergleich dazu stellt sich die Situation in der Region Asien-Pazifik geradezu freundlich dar. Deren Börsen verzeichneten Rückgänge gemessen an der Zahl der Neuzugänge von einem Viertel und in Bezug auf die Anlegergelder von 22 Prozent. Zugleich fanden dort vor Ende September nicht nur fünf der zehn grössten Börsengänge in diesem Jahr statt. Vielmehr stieg der Anteil an den weltweiten IPOs binnen Jahresfrist weiter auf mehr als 60 Prozent.

Hauptbildnachweis: Pixabay