Buchtipp – Uwe Timm: «Am Beispiel meines Bruders»
Die vorliegende autobiografische Erzählung, eine Spurensuche des deutschen Autors Uwe Timm in der eigenen Familie zu Zeiten des zweiten Weltkriegs und danach, ist auch für Nichtdeutsche eine Herausforderung zum Nachdenken.
Der 1940 geborene Autor sucht in diesem Buch Antworten auf die Frage, warum sich sein Bruder, den er nie wirklich kannte, freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte. Wer war dieser Karl-Heinz Timm, geboren 1924 in Hamburg, gestorben 1943 nach schwerer Verwundung in einem Lazarett an der Ostfront? Uwe Timm fragt ehrlich und ernsthaft nach den Motiven seines Bruders und der Reaktion der Eltern, nach deren Tod er seine Recherche bezeichnenderweise erst realisieren konnte. Das Verhalten der Eltern im Allgemeinen und ihre Idealisierung des Bruders, in dessen Schatten der jüngere Sohn stets stand, werden prägnant, unprätentiös und ohne Rücksicht auf die eigenen Befindlichkeiten geschildert.
Neben historischem, allgemein zugänglichem Material dienen dem Autor als schriftliche Hauptquellen das Tagebuch des Bruders mit knappen, unpersönlichen Aufzeichnungen, die ausschliesslich den Krieg und das Handwerk des Tötens thematisieren, sowie Briefe an die Familie. Entstanden ist eine Art Collage von Gehörtem und Erlebtem, von Verdrängtem und Totgeschwiegenem, von Vergessenem und Erinnertem, von historischen Fakten, von kritiklos Übernommenem und dem, was sich durch kritisches Hinterfragen und Reflektieren offenbarte.
Der Autor macht den Generationenkonflikt der Nachkriegszeit deutlich und zeichnet mit seinem autobiografischen Text, mit dem es die Schatten der Vergangenheit zu verarbeiten sucht, das Bild einer Generation, das uns als Leser betroffen und nachdenklich zurücklässt.