Kleinere Länder schlagen sich besser

Eine Studie zeigt, dass kleinere Staaten ihre Risiken leichter meistern. Die Schweiz schwingt dabei obenauf.

Viele Bürger sehen die Schweiz auf dem Weg aus der liberalen Leistungsbereitschaft mit individueller Verantwortung in einen Sozialstaat mit staatlicher Rundumbetreuung. Die Anziehungskraft für Unternehmen würde darunter nachhaltig leiden. Diese Innensicht hebt sich indes immer deutlicher vom Ansehen der Schweiz im Ausland ab. Jüngstes Beispiel ist der neue globale «Investment Risk and Resilience Index», erhoben von der Ansiedlungsagentur Henley & Partners und der KI getriebenen Analyseplattform AlphaGeo. Die beiden Protagonisten des Index versuchen die Risiken, denen Länder ausgesetzt sind, mit ihrer Fähigkeit, auf diese zu antworten, in Beziehung zu setzen. Risiko und Resilienz bilden ein Paar, und die Top Five sprechen für sich: Es sind die Schweiz als Nummer eins, gefolgt von Dänemark, Norwegen, Singapur und Schweden. Der Stadtstaat glänzt dabei mit dem weltweiten Spitzenplatz für die niedrigsten gesetzlichen und regulatorischen Unwägbarkeiten.

Anpassungsfähigkeit ist der neue Imperativ
Die Verbindung zwischen Risiko und Resilienz ist nicht ohne Probleme. Niedrige Risiken können sich mit nur begrenzter Resilienz verbinden und dennoch gute Ergebnisse zeigen. Ausländischen Investoren nützt dies dann nur in Massen. Die Eidgenossenschaft muss sich indes nicht verstecken. Für die Studienautoren ist klar, dass ein niedriges Risikoprofil mit führender Innovation, beispielhaftem Regierungshandeln und einem überdurchschnittlichen sozialen Umfeld einhergeht. Für Christian H. Kaelin, Chairman von Henley und gebürtiger Schweizer, ist klar: «Für Investoren, Unternehmen und global orientierte Bürger (vulgo: mobile Reiche) bietet der Index eine bisher nicht gekannte Klarheit, wohin Vertrauen und Kapital in den kommenden Jahren fliessen sollten.» Parag Khanna, der Gründer von AlphaGeo, lässt sich mit dem Kernsatz «Anpassung ist der neue Imperativ» zitieren.

Der Schweiz, Singapur und auch Luxemburg kommen ihre lange Tradition in der privaten Vermögenspflege zugute.

Jürgen Dunsch, Gastautor

Eine Tendenz tritt deutlich zutage: Kleinere Staaten tun sich mit der Anpassung leichter, sie schneiden in dem Index relativ gut ab. Auf die ersten Fünf folgen nämlich Luxemburg, Finnland, Grönland und die Niederlande. Deutschland auf Platz 10 ist das erste wirtschaftliche Schwergewicht. Damit einher geht die Tatsache, dass diese Gruppe bis auf Singapur nur europäische Länder umfasst. Kanada auf Rang 13 ist dann der zweite Nicht-Europäer. Der Schweiz, Singapur und auch Luxemburg kommen im Übrigen ihre lange Tradition in der privaten Vermögenspflege zugute.

Amerika erst in der zweiten Reihe
Der Wirtschaftskoloss USA muss sich hingegen mit Platz 32 begnügen. Südkorea hat hier mit Rang 25 klar die Nase vorn, Japan folgt mit Platz 35 den Vereinigten Staaten in Sichtweite. China schafft es mit dem 49. Rang knapp unter die ersten Fünfzig, Russland landet nur auf Rang 94. Überraschend schwach schneiden die grossen Schwellenländer Südafrika (145), Brasilien (150) und Indien (155) ab, wobei im Fall von Indien die überdurchschnittlichen Klimagefahren besonders stark zu Buche schlagen. China ist zwar ebenfalls ausgeprägten Risiken ausgesetzt, zeigt aber zugleich eine starke Resilienz. Wie erwähnt, schafften es die Vereinigten Staaten nicht auf einen der vorderen Plätze, wenn es um die Widerstandsfähigkeit gegen ihr spezielles Risikoniveau geht. In der Anziehungskraft für Superreiche ab einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Dollar sieht es hingegen ganz anders aus. Hier liegen amerikanische Städte ganz vorn. Angeführt von New York und nur unterbrochen von Hongkong folgen auf den nächsten Plätzen Los Angeles, San Francisco und Chicago, wie in dem Newsletter für internationale Migration IM Global Wealth zu lesen ist. Das klingt besser, als es ist, fussen die Glanzresultate doch auf der grossen Zahl superreicher Amerikaner.

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