Credit Suisse: Severin Schwan der Unantastbare?

Am 23. März 2022 teilte die Credit Suisse mit, dass Severin Schwan, seit 2017 Vizepräsident und Lead Independent Director, sein Verwaltungsratsmandat niederlegt. Seine damalige Demission als CS-Verwaltungsrat erfolgte am Ende eine Reihe von Skandalen, welche die einst stolze Schweizer Grossbank nachhaltig erschütterten. Ein knappes Jahr danach ist die Credit Suisse Geschichte und Severin Schwan medial abgetaucht.

Auf der Suche nach Gründen, die zum Kollaps der Credit Suisse geführt haben, fällt ein Name immer wieder: Urs Rohner. Der einstige Hürdenläufer und vorletzte Chairman der Credit Suisse stolperte ausgerechnet auf der Ziellinie, sprich dem Zenit, seines beruflichen Schaffens über seine eigenen Füsse. Zumindest moralisch angelastet wird ihm sein Unvermögen, die Credit Suisse als Verwaltungsrat und späterer Chairman der Bank auf korrektem Kurs gehalten zu haben. Fragwürdige Personalentscheide unter anderem auf Stufe CEO, eine mangelnde Risikokultur, welche in jahrelange, horrende Bussenzahlungen mündeten sowie Bonus-Exzesse einer abgehobenen Manager-Elite, die komplett aus dem Ruder gelaufen sind, zeichnen ein unschönes Bild seines Wirkens als oberster Verantwortungsträger der Credit Suisse in den Jahren von 2011 bis 2021. Gleiches gilt für die Entwicklung des Aktienkurses der Bank unter seiner Ägide – ein weiteres unrühmliches Kapitel.

Kritiker von Urs Rohner werden zu Recht nicht müde, seine Versäumnisse aufzulisten und Verantwortung – auch finanzieller Natur – einzufordern. Richtig ist, dass Urs Rohner als Chairman der Credit Suisse schwerwiegende Fehler gemacht hat. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ihm in der Person von Severin Schwan ein gewichtiger Schweizer Wirtschaftskapitän im Verwaltungsratsgremium zur Seite stand.

Im Schützengraben der Verantwortlichkeit hat man mehr Verluste als in der Etappe der Opposition.

Gustav Stresemann (1878 – 1929), deutscher Politiker, Reichsaussenminister und Friedensnobelpreisträger 1926

Severin Schwan, ex-CEO und heutiger Chairman von Roche, war seit 2014 Mitglied des Verwaltungsrats der Credit Suisse und seit 2017 Vize-Präsident sowie Lead Independent Director. Er dürfte mutmasslich alle wichtigen Verwaltungsratsentscheide in dieser Zeit – zusammen mit allen anderen Verwaltungsräten der Bank – mitgetragen und demnach auch mitzuverantworten haben. Aus unerfindlichen Gründen wird die Abwärtsspirale der Credit Suisse, die sich über Jahre aufgebaut und akzentuiert hat, grossmehrheitlich nur Urs Rohner angelastet. Dieser Blickwinkel blendet aus, dass die Wirrungen und Irrungen innerhalb der Credit Suisse auch auf Severin Schwan’s Rolle im VR-Gremium der Bank zurückzuführen sind. Damit wir uns richtig verstehen: Es geht nicht darum, eine Lanze für Urs Rohner zu brechen. Der Untergang der Credit Suisse wird immer mit ihm in Verbindung gebracht werden, und das hat seinen Grund. Dafür bezahlt er bereits heute einen hohen Preis. Seine berufliche Reputation und sein gesellschaftliches Ansehen dürfen sich nie wieder von dieser Niederlage erholen. Weshalb in der breiten Öffentlichkeit aber bis dato niemand auf die Idee kommt, unangenehme Fragen an Severin Schwan’s Adresse zu richten, bleibt ein Rätsel. Dabei ist nicht seine Doppelrolle als Vize der einstigen Nummer Zwei auf dem Schweizer Bankenplatz und (damaliger) CEO des Pharmariesen Roche ein Thema, sondern vielmehr sein Anteil an einer desaströsen Unternehmens- und Risikokultur, die der Credit Suisse letztlich das Genick gebrochen hat.

Hauptbildnachweis: Credit Suisse