Die Obsession zu wachsen und dabei die Gefahren auszublenden

Viele Firmen sind zu sehr auf Wachstum, und nicht genug auf Rendite fokussiert – mit hohen Kosten für viele.

Die Welt und ganz besonders die Aktienmärkte sind besessen vom Wachstum. Wichtiger für uns als langfristige Investoren ist aber eine nachhaltige Kapitalrendite und qualitativ hochwertiges Wachstum. Und die Obsession zu wachsen hat einen hohen Preis – nicht zuletzt für Umwelt, Mitarbeiter und Aktionäre.

Expansionsdrang birgt Gefahren

Die meisten erfolgreichen Unternehmen beginnen in einer profitablen Nische. Mit den daraus erwirtschafteten Gewinnen wächst die Versuchung, ständig zu expandieren. Dabei besteht jedoch die Gefahr, sich immer weiter vom ursprünglichen Kerngeschäft zu entfernen, was die Profitabilität beeinträchtigen kann.

Aggressive Wachstumsambitionen können schnell grossen Wert zerstören, weshalb Vorsicht geboten ist.

Beat Keiser, Head of Equities, Rothschild & Co Bank

Geografische Expansion ist oft der naheliegendste Weg, um zu wachsen. Doch dies bringt Herausforderungen mit sich: In neuen Regionen herrscht oft stärkere Konkurrenz, die Kundenbedürfnisse unterscheiden sich und es gibt Währungsrisiken zu beachten. Produktverbesserungen und -erweiterungen können ebenfalls Wachstumschancen bieten, besonders wenn sie auf Kundenwünsche abgestimmt sind. Die Expansion in völlig neue Produktkategorien erweist sich jedoch häufig als wenig sinnvoll. Zukünftige Wachstumsmärkte ziehen typischerweise viel Kapital und Konkurrenz an. Dies führt zu Überkapazitäten, die für die Preise und Gewinne eines Unternehmens schädlich sind. Auch bei Akquisitionen ist Vorsicht geboten. Während das Schliessen von Lücken im Produktportfolio oder der Eintritt in neue Märkte sinnvoll sein kann, sollten Unternehmen darauf achten, nicht übermässig viel zu bezahlen. Der Kauf von Unternehmen in gänzlich neuen Produktkategorien birgt oft erhebliche Risiken.

Weniger ist mehr
Als Aktionäre bevorzugen wir Unternehmen mit einem klaren Fokus, die ihre Märkte dominieren und in diesen kontinuierlich wachsen. Eine konzentrierte Branchenstruktur bietet häufig den Vorteil, dass Unternehmen über Preissetzungsmacht verfügen, was sowohl dem Wachstum als auch der Profitabilität zugutekommt. Beispiele hierfür sind Industriegase (Linde, Air Liquide), Aufzüge (Kone, Otis und Schindler) oder Kreditkarten (Mastercard und Visa). Entscheidend ist, dass das Wachstum profitabel ist und mindestens die Kapitalkosten deckt, sei es durch organische Expansion oder durch Zukäufe. Dies sollte auch in die Vergütung des Managements einfliessen. Aggressive Wachstumsambitionen können schnell grossen Wert zerstören, weshalb Vorsicht geboten ist.

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