Können Anleger zu früh recht haben?

Die Aktienmärkte traten im Juni in einen Bullenmarkt ein. Sie haben gegenüber ihrem im Oktober erreichten Tief um mehr als 20 Prozent zugelegt. Begünstigt wurde dies durch eine mögliche Trendwende in der Geldpolitik der Fed, da sich die Kerninflation seit dem letzten Herbst abgeschwächt hat. Für Unterstützung sorgte zudem die stärkere Aktivität von Anlegern, insbesondere Privatanlegern, die die Rally in diesem Jahr nicht verpassen wollen. Dies hat die Aktienindizes auf Jahreshochs oder sogar Mehrjahreshochs getrieben.

Die Disinflation begrenzte den Anstieg der langfristigen Zinsen, was die Aktienbewertungen stützte. Vor diesem Hintergrund dämpfte die Inversion der Renditekurve die typischen negativen Auswirkungen einer geldpolitischen Straffung auf die Aktienmärkte. Dank der robusten Konjunktur und Preissetzungsmacht der Unternehmen gewann die Erholung an Breite, da nun auch die Gewinnentwicklung zum Kursanstieg in diesem Jahr beitrug.

Da der Grossteil der Zinserhöhungen wohl hinter uns liegt, dürften die Gewinne wieder stärker in den Vordergrund rücken – vor allem, wenn die Quartalsberichtssaison beginnt.

Kevin Thozet, Investment Committee, Carmignac

Dies hat mehrere Folgen. Die Renditekurve ist so stark invers wie zuletzt vor 40 Jahren. In der zweiten Jahreshälfte könnte es jedoch anders aussehen, da die Effekte der geld- und fiskalpolitischen Straffung das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern bremsen. Zudem ist die Positionierung der Anleger weit von den Tiefständen entfernt, sodass das Risiko-Rendite-Profil der Aktienmärkte symmetrischer erscheint. In diesem Umfeld bevorzugen wir Qualitätsunternehmen, die sich durch bestimmte Merkmale auszeichnen. Dank ihrer Wettbewerbsvorteile verfügen sie über hohe und stabile Gewinnmargen. Diese werden durch Ihre Fähigkeit, ihre Marktanteile zu behaupten, und eine stabile Kundenbasis geschützt. Das ist eine wichtige Eigenschaft nach einer Phase sinkender Absatzmengen und steigender Preise. Eine entscheidende Frage für Aktienanleger ist, wie sich die Disinflation und ein Konjunkturabschwung auf die Konsumausgaben auswirken werden, während das Risiko besteht, dass Preiskriege die Margen nach unten drücken. Hochwertige Unternehmen weisen in der Regel auch ein geringes Bonitätsrisiko auf, und die Qualität der Bilanz ist angesichts steigender Kapitalkosten umso wichtiger. Man muss beachten, dass bei diesen Unternehmen ein höheres Risiko rückläufiger Bewertungskennzahlen besteht. Eine Abschwächung des Arbeitsmarktes und deutlichere Anzeichen für eine Konjunkturabkühlung sind bisher noch nicht zu beobachten. Eine solche Entwicklung ist jedoch wahrscheinlich. Dies wird hochwertigen Aktien zusätzlichen Rückenwind verleihen, wenn der Aufwärtsdruck auf die Zinsen nachlässt. Da der Grossteil der Zinserhöhungen wohl hinter uns liegt, dürften die Gewinne wieder stärker in den Vordergrund rücken – vor allem, wenn die Quartalsberichtssaison beginnt.

Anleger verloren weitaus mehr Geld, weil sie sich auf eine Korrektur vorbereitet haben oder versuchten, eine Korrektur vorauszusehen, als in den Korrekturen selbst an Geld verloren wurde.

Börsenweisheit

Wie ein bekanntes Zitat bestätigt: «Anleger verloren weitaus mehr Geld, weil sie sich auf eine Korrektur vorbereitet haben oder versuchten, eine Korrektur vorauszusehen, als in den Korrekturen selbst an Geld verloren wurde.» Angesichts der aktuellen Marktvolatilität ist der Fokus auf Qualitätsaktien wahrscheinlich die beste Strategie für ein asymmetrisches Risikoprofil.

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