Satire: Inside Bank Rupp & Cie – Weggefährten

Inside Bank Rupp & Cie (bæŋkrʌptsi) ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema Poulet-Sandwiches und anderes ...

Obwohl ihre Karrieren sehr unterschiedlich verliefen, nahm sich Ivo R. Knecht immer wieder mal Zeit für seinen guten alten Freund und Weggefährten Benno von Wassberg.

Bei schönem Wetter unternahmen sie in der Regel einen gemütlichen Sonntagsspaziergang im nahegelegenen Park und tauschten sich dabei über dieses und jenes aus. Häufig ging es um Geschäftliches oder Autos, doch am häufigsten sprach Knecht natürlich übers Geld.

Die kurzen Auszeiten vom täglichen Wahnsinn taten dem Head Private Banking gut, auch körperlich, denn für richtigen Sport hatte er weder Zeit noch Lust. Und überdies auch schon länger nicht mehr die Figur.

«Mein Schutzschild», sagte Knecht schmatzend, derweil er seinen gepflegten Wohlstandsbauch tätschelte.

Sie hatten sich schon nach wenigen Schritten auf eine Bank gesetzt, und Knecht nutzte die Pause für einen Snack, ein grosszügig gefülltes Roast Chicken Sandwich mit dreierlei Beilagen, das er sich unmittelbar nach dem Mittagessen in der exklusiven Dorf-Confiserie besorgt hatte.

Es dauerte genau zwei hastige Bissen, bis das Sandwich hinuntergewürgt war.

Sein Begleiter sah ihn scheel an.

«Verantwortung bedeutet halt auch Last, mein Lieber. Da bleibt schon mal was hängen…»

«… und schlimm ist es ja wirklich nicht», relativierte Knecht und versuchte, seinen Bauch einzuziehen.

«Weisst du, manchmal beneide ich dich», sagte er, während er jetzt mit dem Finger ein Stückchen Poulet aus dem Mund grübelte. «Finanziell ungebunden und frei, wie du bist ...»

«Und von keinerlei Verlustängsten geplagt.»

Noch bevor der Angesprochene hätte antworten können, joggte eine Gruppe, Typ dynamischer Jungmanager, in zügigem Tempo schwatzend an ihnen vorbei.

«Spinner», kommentierte Knecht, «totale Spinner!».

«Glauben wohl noch immer an die Mär vom Leistungsprinzip», rief er den jungen Leuten halblaut hinterher.

Beide sahen sie den davoneilenden Sportlern noch eine ganze Weile nach.

«Da oben», Knecht zeigte unvermittelt himmelwärts, «geht es nämlich um ganz anderes ...»

Er wischte sich mit einer Papierserviette den fettigen Mund ab.

«Das Einzige, was bei der Karriereförderung tatsächlich zählt, ist das Informationsmonopol», bemerkte er betont wichtig. Und nach einer Kunstpause: «Wenn du die Informationsflüsse nicht beherrschst, ich meine monopolisierst, beherrschen sie dich. Und dann bist du ganz schnell out of the game

«Weg vom Fenster», übersetzte er zur Sicherheit.

«Keine Villa, kein Alpen-Chic, keinen Fünftwagen und schon gar keine Oldtimersammlung – und auch keine Poulet-Sandwiches mehr.»

Herzhaft grinsend, gab er Benno von Wassberg einen freundschaftlichen Klapps auf den Rücken.

«Informationen immer schön filtriert oder überhaupt nicht weitergeben, mein Lieber, das ist die wichtigste Maxime, da können die Damen und Herren Jungmanager noch so schnell rennen.»

«Und – selbstverständlich – bei kritischen Entscheidungen mit Abwesenheit glänzen», ergänzte er die Hauptregel.

«Mehr braucht es gar nicht!»

Benno von Wassberg sah ihn mit grossen Augen an. Knechts absolute Offenheit überraschte ihn offenkundig.

«100 Pro!», bestätigte Knecht seinem noch immer verwundert dreinschauenden Begleiter und erhob sich kurz, um das mitgebrachte Sitzkissen zu richten.

Während sie gedanklich noch anderweitig beschäftig waren, begannen zwei junge Männer in ihrem Blickfeld Fussball zu spielen. Gekonnt jonglierten sie den Ball mit Kopf und Füssen hin und her, ohne dass das Spielgerät den Boden auch nur annähernd berührte.

Aufmerksam schaute Benno von Wassberg den flinken Ballkünstlern zu. Die Performance gefiel ihm.

Ganz im Gegensatz zu Knecht, der dem Geschehen kaum Beachtung schenkte. Den Blick auf die Armbanduhr gerichtet, schien er in seiner Sakkotasche etwas zu suchen.

«Und jetzt du, Benno!», sagte er plötzlich und ohne Vorwarnung zu seinem schwanzwedelnden Hund, bevor er das aufgesparte Poulet-Stückchen ungelenk in Richtung Wiese warf.

Hauptbildnachweis: Walter Hollenstein