Droht uns der Schwungradeffekt?
Die geld- und fiskalpolitische Liquiditätsschwemme zur Bewältigung der Coronakrise trifft in diesem Jahr auf eine kräftige Konjunkturbelebung, die sie selber befeuert hat. Das führt zu Inflationssorgen und Befürchtungen, die Geldpolitik könnte früher als erwartet wieder restriktiver werden (müssen). Vor diesem Hintergrund sind in den vergangenen Wochen die Kapitalmarktrenditen deutlich angestiegen. Schwenkt die Welt nun tatsächlich auf einen nachhaltig höheren Inflationspfad ein?
Die Inflation gleicht manchmal einem Schwungrad, das langsam in Bewegung kommt, schneller wird und schwer zu bremsen ist. Steigen die Preise, steigt die Inflation. Und weil die Inflation steigt, kommt es zu Preiserhöhungen (etwa bei administrierten Preisen oder durch höhere Löhne), was wiederum die Teuerung anheizt. Die Inflation wird dieses Jahr deutlich steigen. Neben der Nachfrageerholung spielen Basis- und Sondereffekte eine wichtige Rolle. Zu Beginn der Coronakrise fielen die Energiepreise in den Keller, heute kostet Öl der Sorte Brent das Dreifache. In Deutschland sorgt etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer für einen Preisanstieg. Die Teuerung könnte in den USA und in Europa auf über 3% steigen. Die Notenbanken werden diesen Anstieg über das 2%-Ziel zulassen. Kann das aus dem Ruder laufen? Ja, kann es, scheint aber vorerst eher unwahrscheinlich.
Thomas Heller, Chief Investment Officer, Schwyzer KantonalbankDie Inflation wird dieses Jahr deutlich steigen.
Es sprechen einige Gründe gegen einen nachhaltigen Teuerungsschub. Erstens wirken die soeben skizzierten Effekte nächstes Jahr in die andere Richtung. Zweitens besteht global ein Kapazitätsüberhang, der die erhöhte Nachfrage absorbieren kann. Selbst wenn es in einzelnen Bereichen derzeit zu Produktions- und Lieferengpässen kommt, wird das nicht für einen signifikanten Anstieg des Preisniveaus sorgen. Die Unternehmen wollen sich nicht aus dem Markt preisen und werden zurückhaltend sein mit Preiserhöhungen. Drittens hat sich der Arbeitsmarkt noch nicht erholt, es besteht wenig Lohndruck. Und schliesslich verstärkt die Coronakrise in gewissen Bereichen auch produktivitätssteigernde Entwicklungen (Stichwort Digitalisierung), was preisdämpfend wirkt.
Die Welt wird also nicht auf einen höheren Inflationspfad einschwenken. Zumindest noch nicht, denn die Saat für einen deutlichen Anstieg der Inflation ist gesät. Kommen dereinst zur ultra-expansiven Geld- und Fiskalpolitik weitere Faktoren hinzu – Vollauslastung, angespannter Arbeitsmarkt, noch höhere Rohstoffpreise –, kann sich dies in einem substanziellen Preisanstieg entladen. Dieses Szenario scheint aber noch einige Zeit entfernt. Der Schwungradeffekt greift noch nicht.
Der aktuelle Marktkommentar der Schwyzer Kantonalbank findet sich hier.