Private mögen wieder Renditeimmobilien

Immobilieninvestoren wittern Morgenluft. Vor allem vermögende Privatpersonen suchen neue Chancen. Und die Banken weiten ihre Gewinnmargen aus.

Landauf, landab wird in der Schweiz über die Wohnungsnot geklagt. Es wird zu wenig gebaut, tendenziell sinken die schon niedrigen Leerstandziffern weiter. Statt Hindernisse im Wohnungsbau wegzuräumen, nimmt die Regulierungsdichte eher zu. Da überrascht die Beobachtung des Grossmaklers JLL Schweiz. Bezogen auf die Grossinvestoren in Immobilien heisst es in einer aktuellen Studie: «Der Transaktionsmarkt für Renditeliegenschaften ist im ersten Halbjahr 2024 sehr dynamisch und fast schon ein wenig euphorisch verlaufen». Die Grundstimmung vom Jahreswechsel habe sich bestätigt, schreiben die Autoren Lars Frölich und Benjamin Hauri.

Die Schockstarre weicht neuer Dynamik
Die Zinssenkungen der Nationalbank (SNB) vom 21. März und vom 20. Juni machen offenbar Eindruck. Ähnlich hatten die beiden Leitzinserhöhungen von 2022 gewirkt – nur in umgekehrter Richtung. Damals verfielen laut JLL einzelne Investoren geradezu in eine «Schockstarre». Jetzt ist der Tiefpunkt bei den Anlageklassen und in den Regionen zumeist durchschritten. «Investoren spüren wieder Anlagedruck, rechtzeitig zu möglichst guten Konditionen am Immobilienmarkt zu investieren», so die Autoren wörtlich. Die Attraktivität anderer Anlagen wie zum Beispiel Obligationen scheint zu verblassen.

Investoren spüren wieder Anlagedruck, rechtzeitig zu möglichst guten Konditionen am Immobilienmarkt zu investieren.

JLL Schweiz

Besonders überraschend wirkt innerhalb der allgemeinen Entwicklung, dass professionell agierende, vermögende Privatanleger die aktivste Investorengruppe sind. Vor 2023 übten sie dagegen zwei, drei oder sogar mehr Jahre Zurückhaltung, rufen Frölich und Hauri in Erinnerung. Das neu erwachte Interesse verwundert auch deshalb, weil viele Städte und Gemeinden versuchen, den Mietwohnungsmarkt stärker zu regulieren. Die Branche achte verstärkt auf die politische Couleur einer Gemeinde, findet zum Beispiel der Immobilienfachmann Stefan Fahrländer. Zugleich meint er, inzwischen sei Mieten langfristig attraktiver als Kaufen. Im Augenblick betrifft dies etwa Regionen wie Zürich, den Zugersee oder das Oberengadin.

Deutlich mehr Baugesuche
Wie auch immer, die Nachfrage nach Mietwohnungen ist ungebrochen. Dies belegen die neuesten Zahlen des Immobilienbewerters Wüst Partner. Danach übertrafen die Angebotsmieten im zweiten Quartal das Vorjahresniveau schweizweit um 6,4 Prozent. Zwar legten in derselben Periode die Baugesuche für Mietwohnungen um nicht weniger als 22 Prozent zu. Dies ändert laut Wüst Partner vorerst nichts an der stockenden Neubautätigkeit bei andauerndem Bevölkerungswachstum. Baugesuche bedeuten noch lange nicht, dass schon bald die Bagger auffahren. «Kurzfristig dürfte der Wohnungsmangel daher weiterhin den Schweizer Mietermarkt prägen», meinen denn auch Wüest Partner. Entsprechend wittern Investoren besonders dort Anlagechancen. Aber auch sonst sind sie wieder auf der Suche, nach Büros, Gewerbeliegenschaften oder auch Logistikzentren. Damit jedoch kein falscher Eindruck entsteht: Dies geschieht auf einem moderaten Preisniveau und einer tieferen Nachfrageliquidität als vor der Zinswende. Ein Grund sind die Hypothekenzinsen. In den festen Laufzeiten bewegen sie sich seit Dezember weitgehend seitwärts. Für die JLL-Experten ist klar, dass die Banken die Leitzinssenkungen bisher einseitig zur Ausweitung ihrer Gewinnmargen nutzen, eine Beobachtung, die auch für andere Teile des Kreditmarktes gilt.

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