Warum es unklug ist, die Generation Ü50 im Mitarbeiterpool auszumerzen

Gerade in der Finanzindustrie sind regelmässig wiederkehrende Umstrukturierungen im Zwei- oder Dreijahresrhythmus gängige Praxis. Damit einher geht in der Regel eine Bereinigung des Mitarbeiterpools. Auffällig oft trifft es dabei Kolleginnen und Kollegen, die in der zweiten Lebenshälfte stehen, die sogenannte Generation Ü50.

Ein Job auf Lebenszeit gehört definitiv der Vergangenheit an. Was in früheren Generationen weit verbreitet war, der Verbleib des gesamten Arbeitslebens im gleichen Unternehmen, ist heute ein Relikt aus der Vergangenheit. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Und die romantische Vorstellung eines Patrons, der sich seinen Angestellten gegenüber weit über das berufliche hinaus verpflichtet fühlt, leider überholt. Es mag Ausnahmen geben. Sie dürften sich aber bestenfalls noch in inhabergeführten, kleineren Familienunternehmen finden. Ganz anders in der Finanzindustrie. Da geht es, allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz, relativ unzimperlich zur Sache. Personal ist in erster Linie ein Kostenblock, welchen es, wenn immer möglich, zu optimieren gilt. Da liegt es auf der Hand, den Hebel

Älter werden heisst auch besser werden.

Jack Nicholson, US-Schauspieler

dort anzusetzen, wo das Optimierungspotenzial vermeintlich am Grössten ist, und das ist nun einmal – auch aufgrund des Schweizer Vorsorgesystems – bei den älteren Mitarbeitenden vordergründig der Fall. Die Sozialkosten, sprich die Arbeitgeberbeiträge für Mitarbeitende, die das 50. Altersjahr überschritten haben, fallen deutlich höher aus, als bei einem Mittdreissiger. Gleiches gilt für Lohn- und Bonuszahlungen, die meist mit zunehmendem Alter steigen. Gründe genug, ältere Arbeitnehmende im Mitarbeiterpool auszumerzen? Mitnichten.

Fach- vs. Erfahrungswissen
Natürlich könnte man jetzt das Argument der gesellschaftlichen Verantwortung, die sich jedes börsenkotierte Unternehmen gerne auf die Fahne schreibt, bemühen. Nur leider zieht es nicht. In Zeiten der modernen Marktwirtschaft sind entsprechende Aussagen oftmals nur Lippenbekenntnisse. Umso mehr sollte das Argument des enormen Erfahrungswissens sowie der charakterlichen Reife, dass die Generation Ü50 auszeichnet, in der Waagschale wiegen. Leider auch hier weit gefehlt. In der Praxis herrscht der Irrglaube, dass Fachwissen, welches direkt ab der Universität oder der Fachhochschule – oftmals an sogenannten Talent-Messen – rekrutiert wird, über Jahre gereiftes Erfahrungswissen abzulösen oder zu substituieren vermag. Ein fataler Trugschluss, wie sich auch in der Finanzindustrie aufgrund zahlreicher Fehlentwicklungen immer wieder zeigt, denn Expertise alleine reicht nicht aus, um eine Branche erfolgreich in die Zukunft zu transferieren oder – viel trivialer – eine Bank erfolgreich zu betreiben. Zudem erweisen sich Gedanken-Konstrukte, die der Generation Ü50 beispielsweise die Offenheit für Innovationen oder den agilen Umgang mit neuen Technologien absprechen oftmals als das, was sie sind: unbegründete Vorurteile und vorgeschobene Argumente. Insofern wäre auch die Finanzindustrie sehr gut beraten, mit dem kostbaren Gut des Erfahrungswissens etwas pfleglicher umzugehen. Wer älteren Mitarbeitenden die Motivation oder das Potenzial zur Veränderung abspricht, läuft als Unternehmen in einer überalterten Gesellschaft Gefahr, eines Tages selber abgestraft zu werden. Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass der sich abzeichnende Fachkräftemangel einen baldigen Gesinnungswandel beschleunigt, der im Übrigen auch das Schweizer Sozial- und Vorsorgesystem entlasten würde.

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