2023 könnte ein gutes Jahr für Schweizer Obligationen werden

Das bestimmende Thema für den CHF-Obligationenmarkt bleibt auch 2023 die Inflation, die über die Reaktionsfunktion der Zentralbanken die Zinsmärkte beeinflusst.

Im Zuge der weltweiten Covid-19 Lockdowns sind Flaschenhälse in den globalisierten Lieferketten entstanden, die zu steigenden Preisen geführt haben. Aufgestaute Konsum- und Investitionsnachfragen haben diesen Effekt verstärkt. Mit der Ukrainekrise kam im Frühjahr 2022 ein weiterer Preistreiber hinzu und die Inflation zeigt sich langlebiger als ursprünglich gedacht. Zentralbanken in aller Welt haben mit einer Erhöhung der Zinssätze auf diese Entwicklung reagiert. Besondere Relevanz kommt der US-Federal Reserve zu, die ihre Zinsen im laufenden Jahr von 0.5% auf 4% erhöht hat. Dies mit dem Ziel, den nachfragebedingten Teil des Preisanstiegs unter Kontrolle zu bringen. Angebotsseitig sind wir auf eine Auflösung der Flaschenhälse und eine Stabilisierung der Preise für Energie angewiesen. Von beiden Seiten sehen wir momentan erste Anzeichen einer Entspannung, was für 2023 Hoffnung auf ein Ende des Zinsanhebungszyklus macht.

Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen befinden sich im historischen Vergleich auf einem attraktiven Niveau und reflektieren ein pessimistisches Szenario, das wir so nicht teilen.

Anna Holzgang, Head of Global & Swiss Bonds, Vontobel

2022 war ein herausforderndes Jahr für Schweizer Anleihen
Die Schweizer Wirtschaft ist über ihre Handelsbeziehungen engmaschig mit der Weltwirtschaft verknüpft. Die SNB hat diesem Umstand Rechnung getragen, indem sie einerseits ihre Leitzinsen in zwei Schritten deutlich erhöht hat und gleichzeitig ihren Widerstand gegenüber einem stärkeren Franken aufgegeben hat. Mit diesen umsichtigen und früh eingeleiteten Massnahmen konnte der Inflationsdruck auf die Schweizer Konsumenten reduziert werden. Investoren in CHF-Obligationen hatten jedoch unter diesen Schritten zu leiden. Insbesondere Papiere mit langer Laufzeit mussten deutliche Abschläge hinnehmen, und 2022 wird voraussichtlich als eines der schlechtesten Jahre für Obligationenanleger in die Geschichte eingehen.

Versteilerung der Zinskurve im ersten Halbjahr 2023 möglich
Auch für das kommende Jahr wird voraussichtlich die Inflationsentwicklung entscheidenden Einfluss haben. Seitens der US-Zentralbank Fed erwarten die Märkte weitere Zinsanhebungen um 100bps auf 5% bis im März 2023. Der grösste Teil dieser Erhöhung wird von den kurzfristigen Zinsen (1 Jahr) bereits eingepreist. Die US-Zinsen für 10-jährige Obligationen liegen momentan deutlich unter den Niveaus für kurz laufende Papiere. Die Marktteilnehmer scheinen davon auszugehen, dass die Zinsen sich bald wieder nach unten bewegen werden, was sich positiv auf Obligationenanlagen auswirken würde. Angesichts der weiterhin robusten Entwicklung am Arbeitsmarkt könnte sich diese Einschätzung als zu optimistisch erweisen, was auf eine Versteilerung der Zinskurve im ersten Halbjahr 2023 hindeuten könnte. In der Schweiz ist die Zinskurve für Laufzeiten bis 10 Jahre weiterhin normal geformt, wobei die Steilheit gering ist. Angesichts der Möglichkeit eines Inflationsschubs durch eine Anpassung der Energiekosten für Immobilien im neuen Jahr, ist eine weitere Zinserhöhung durch die SNB bereits eingepreist. Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen befinden sich im historischen Vergleich auf einem attraktiven Niveau und reflektieren ein pessimistisches Szenario, das wir so nicht teilen. Die Unternehmen haben weltweit die Niedrigzinsphase der letzten Jahre genutzt, um sich langfristig mit Liquidität zu versorgen; gleichzeitig ist die Ertragslage weiterhin solide, was die Ausfallwahrscheinlichkeit deutlich unter den momentan eingepreisten Niveaus halten sollte. Ein gutes Beispiel in der Schweiz ist der Sektor der Energieversorger aus Wasserkraft. Dieser systemrelevante Wirtschaftszweig wurde von Anlegern aufgrund seiner Verschuldungssituation lange stiefmütterlich behandelt und weist attraktive Renditen auf.

2023 könnte ein gutes Jahr für Schweizer Obligationen sein
Angesichts des Zinsanstiegs und der Ausweitung der Kreditaufschläge weisen Obligationen momentan Renditen auf, die schon seit vielen Jahren nicht mehr erreicht wurden. Bei Unternehmensanleihen besteht Potential zu einer Einengung der Credit Spreads. Sollte sich die erwartete Entspannung bei den Inflationszahlen materialisieren, sind erhebliche Zinssteigerungen im kommenden Jahr nicht zu erwarten. Im Falle einer Abkühlung der Konjunktur könnten sinkende Zinsen gar zu Kursgewinnen beitragen. Wenn entscheidende Überraschungen ausbleiben, könnte 2023 ein gutes Jahr für Obligationen werden.

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