Inside Bank Rupp & Cie. – Bonusgespräch

Inside Bank Rupp & Cie. ist eine satirische Kolumne und handelt vom Innenleben einer Bank und anderen Unzulänglichkeiten des Lebens. Heute zum Thema «Bonusgespräch».

Unsere Serie ist ab sofort auch als Podcast erhältlich. Hörbar hier auf dem Onliner oder direkt auf iTunes, Spotify, Deezer, Google Podcast oder seiner Podcast-App nach Wahl. Jetzt abonnieren!

Charles «Charly» Zaugg, Verwaltungsratspräsident der Bank Rupp & Cie, hatte seinen Chief Executive Officer Hans «Joe» Ambühl schon frühmorgens auf dessen Geheimnummer angerufen und ihm dabei ein paar kurze Satzfetzen auf die Voice-Mail gesprochen: «Wir müssen dringend reden, Stichwort Projekt Bonus. Alles weitere heute Abend, acht Uhr sharp im Au Rivage», hatte er ihn wissen lassen und anschliessend ohne Verabschiedung aufgehängt.

Ambühl hatte Schlimmstes befürchtet. Ein mühsames, komplexes und zeitaufwendiges Fusionsprojekt oder etwas Ähnliches. Auf alle Fälle etwas, das ihm die bereits gebuchten und selbst für seine Verhältnisse happig teuren Frühlingsferien auf den Malediven und unter Umständen noch einiges mehr verderben würde. Der Anruf war ihm den ganzen Tag auf dem Magen gelegen. Er hatte deswegen schon am Morgen einige wichtige Besprechungen abgesagt und sich später, im Grunde den ganzen Nachmittag lang und noch länger, in seinem Büro verschanzt.

Die Glocke der nahegelegenen Kirche schlug bereits halb acht, als Chief Executive Officer Ambühl sich vom Ecksofa in seinem Office erhob. Er entsorgte die leere Rotweinflasche im Papierkorb, schaltete den 82-Zoll-Fernseher aus und machte sich anschliessend auf den Weg ins Sternerestaurant, wo Zaugg ihn im ersten Stock bereits erwartete. Ein leeres Whiskyglas in der Hand, schien er vor sich hin zu sinnieren, als Ambühl ins gediegene Séparée eintrat.

«Na endlich …», blaffte er Ambühl vorwurfsvoll an, obschon der keineswegs verspätet war.

Firmenchef Ambühl ignorierte Zauggs Bemerkung und nahm, nachdem sie sich mit einem angedeuteten Ellenbogen-Check begrüsst hatten, gegenüber vom Präsidenten Platz. Dann bestellte er beim Kellner als erstes einen Gin Tonic.

«Und für mich nochmals das Gleiche …», sagte Zaugg und hob gleichzeitig sein Whiskyglas.

Ambühl konnte die aktuelle Stimmungslage des Präsidenten nicht richtig deuten, und trauen tat er ihm erst recht nicht. Dafür kannte er ihn schon zu lange und zu gut. Aber immerhin, so richtig euphorisch, wie er es wohl bei einer namhaften Übernahme gewesen wäre, erschien er ihm nicht. Er meinte sogar, bei der Begrüssung ein nervöses Zucken um die Augen von Zaugg entdeckt zu haben.

«Auf uns Joe …», prostete Zaugg ihm zu, nachdem der beflissene Kellner ihnen den Apéritif serviert hatte.

«… und auf die Bank Rupp & Cie», ergänzte Ambühl Zauggs Toast fast schon automatisch.

«Meinetwegen, .... und auf die Rupp», wiederholte Zaugg halbbatzig und wenig überzeugend. Er, der sich sonst in vielerlei Hinsicht benahm, als seien er und die Bank eins.

Joe Ambühl war jetzt noch ein wenig beunruhigter als zuvor, plötzlich schossen ihm weitaus negativere Szenarien durch den Kopf. Und dann musste er an den geplanten Villenumbau, seinen luxuriösen Wagenpark und den aufwendigen Lifestyle seiner Frau denken.

«Projekt Bonus steht für?», platzte es aus seinem Innersten heraus, kaum hatte er sein Glas abgestellt.

«Für Bonus natürlich!», antwortete Zaugg lakonisch.

Ambühl war erleichtert. Und zwar so erleichtert, dass er in einem Zug sein Glas leerte.

Der Verwaltungsratspräsident konnte angesichts von so viel Ahnungslosigkeit gar nicht anders, mit einem einzigen Schluck leerte auch er jetzt sein Glas. Dann sagte er: «Hast du das mal durchgerechnet, das mit dem Malus, dem Teil, um den das Compensation Committee unseren diesjährigen Bonus kürzen will, wenn das mit der Steuergeschichte schlecht ausgeht …?»

Ambühl schaute ihn fragend an.

«Da, dann rechne mal selbst …!», sagte er schliesslich und reichte Ambühl sein ultraflaches Carbon-Smartphone.

Ambühl nahm das Ding und versuchte die Rechner-App zu öffnen, was ihm auf Anhieb nicht, zumindest nicht schnell genug gelang, weshalb Zaugg ihm das Gerät schon nach wenigen Augenblicken ungeduldig wieder aus der Hand zerrte.

«Lass mich das machen, das geht…», sagte er, ohne den Satz zu beenden. Dann sah er sich im Séparée sicherheitshalber nochmals um, bevor er auf dem Smartphone die relevanten Zahlen einzutippen begann, die er sich selbst diktierte.

«12,5 Millionen Franken Bonus und ein möglicher Malus von 1,5 Millionen bei dir und 5,2 Millionen und 600'000 Franken bei mir. Das macht einen Anteil von…», er starrte konzentriert auf das Display seines Smartphones, obschon er die Ergebnisse natürlich bereits kannte, «exakt 12 Prozent bei dir – und genau 11,5 Prozent bei mir!»

«Da haben wir beide ja nochmals saumässiges Glück gehabt …», kommentierte Ambühl das Ergebnis nach einer kurzen Denkpause freudig, «… ich meine, die Busse könnte am Schluss doch in die Milliarden gehen. Und bei diesen Franzosen weiss man ja nie…», fügte er gleich darauf abschwächend hinzu, weil Zaugg schon nach den ersten Worten begonnen hatte, heftig seinen Kopf zu schütteln. Der Chief Executive Officer der Bank Rupp & Cie bereute seine vorschnelle Bemerkung jedenfalls bereits.

«Verdammt nochmal Joe!», fuhr Zaugg ihm schroff ins Wort. «Hier geht es doch nicht nur ums Geld!». Er schaute ihn, immer noch kopfschüttelnd, ungläubig an.

«Wahrlich nicht …!», doppelte er drei schwere Atemzüge später mit grimmigem Blick nach, sein Unmut war jetzt nicht mehr bloss hör-, sondern ebenso gut sichtbar, worauf Ambühl, leicht beschämt, seinen Blick auf die weisse, mit eleganten Ranken-Motiven verzierte Tischdecke senkte.

«Worum denn sonst …?», fragte er unsicher und ohne vom Tisch aufzuschauen. Er hätte sich die Nachfrage wegen Zauggs unmöglichem Verhalten gerne erspart, aber ihm kam im Augenblick wirklich nichts Gescheites in den Sinn.

«Worum wohl?», erwiderte Zaugg gereizt, «… dass man uns jetzt in die Verantwortung nehmen will!»