Der Endspielmodus der Weltwirtschaft: Hohe Bewertungen, hohe Korrelationen, geringe Fehlertoleranz

Die vier grössten Volkswirtschaften der Welt unterstützen aktiv das Wachstum, gerade jetzt, wo der makroökonomische Zyklus offenbar in seine Endphase eintritt.

Der Zyklus nähert sich seinem Ende, beschleunigt sich jedoch gleichzeitig. Die Bewertungen von Vermögenswerten spiegeln zunehmend die Preisentwicklung am Ende des Zyklus wider, doch gerade seine treibenden Kräfte verlängern ihn. Eine Kombination aus realem BIP-Wachstum und anhaltender Inflation wirkt sich direkt auf die Umsätze und Erträge von Unternehmen aus. Dies ist ein günstiges Umfeld für Aktien, Unternehmensanleihen und generell risikoreiche Anlagen, erfordert jedoch eine vorsichtigere Haltung gegenüber Staatsanleihen.

Drei Themen dominieren die globalen Märkte: KI-getriebene Investitionen, anhaltende fiskalische Lockerungen sowie nationale Sicherheit und industrielle Souveränität.

Kevin Thozet, Mitgleid des Investment-Komitees, Carmignac

Drei Themen dominieren die globalen Märkte: KI-getriebene Investitionen, anhaltende fiskalische Lockerungen sowie nationale Sicherheit und industrielle Souveränität. Alle drei schaffen umsetzbare Chancen auf den Märkten für festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Währungen. Im vergangenen Jahr sind die Bewertungen jedoch stark gestiegen, wodurch sich die Sicherheitsmarge verringert hat. Die Globalisierung der Kapitalmärkte bedeutet, dass die Preise von Vermögenswerten stärker miteinander verknüpft sind. Und begrenzte Wachstumstreiber führen zu höheren Korrelationen zwischen und innerhalb von Anlageklassen. Heute ist unkonventionelles Denken eine Notwendigkeit, um Diversifizierung zu erreichen.

Aktien: Barbell-Strategie
Wir kombinieren erfolgreiche Technologieunternehmen mit defensiven Gesundheits- und Basiskonsumgütern und bilden damit beide Seiten der zweigeteilten Wirtschaft ab. Die Nutzungsrate von KI hat sich in nur drei Jahren verdreifacht – von 5 auf 15% – und damit eine massive Investitionswelle ausgelöst und ein starkes Gewinnwachstum bei den Vorzeigeunternehmen im KI-Bereich ermöglicht. Erwartete Produktivitätssteigerungen von 1,5% pro Jahr, die über einen Zeitraum von zehn Jahren einen Nettobarwert von mehr als 20 Billionen US-Dollar ergeben, relativieren die Bedenken hinsichtlich überhöhter Ausgaben. Die Märkte haben eine zukunftsorientierte Sichtweise, und ein Teil davon dürfte bereits eingepreist sein – aber wenn die Hälfte davon im Technologiesektor verbleibt, könnte der Nasdaq 100 einen zusätzlichen Wertzuwachs von +50% verzeichnen. Die Sorge gilt der überschwänglichen Begeisterung für dieses angesagte Marktthema. Aber jetzt werden die Rentenmärkte zur Finanzierung von KI-Investitionen herangezogen, wobei das Kreditrisiko für Disziplin sorgt und wie eine eingebaute Geschwindigkeitsbegrenzung für übertriebene Preisbewegungen wirkt. Die Überbewertung der populärsten Themen am Markt und das Bewertungsrisiko führen zu einer einfachen Antwort: Wenn die Bewertungen hoch sind, sollte man nicht den Index kaufen, sondern sorgfältig auswählen. Taiwanesische und koreanische Technologieunternehmen sind ein wesentlicher Bestandteil der KI-Lieferkette, werden jedoch zu weitaus attraktiveren Multiplikatoren gehandelt als ihre US-amerikanischen Wettbewerber. China baut sein eigenes KI-Ökosystem auf und schafft damit differenzierte Möglichkeiten. Jeder neue Marktteilnehmer, der angesichts der Bruttomargen von 75% bei Nvidia angezogen wird, wird zu einem Katalysator für kostengünstigere Rechenleistung und eine stärkere Verbreitung der Software. Davon würden Softwareunternehmen profitieren, die in diesem Jahr noch hinterherhinken.

Generöse Fiskalpolitik: Investitionen in die Barbell-Strategie der US-amerikanischen Ausgabenpolitik und zweigeteilte Warenkörbe
Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter weisen eine relativ geringe Korrelation zum Technologiesektor auf und sind daher eine Überlegung wert. Es wird zunehmend erwartet, dass die künftige Finanzpolitik auf die Privathaushalte ausgerichtet sein wird, und in Wahlkampfzeiten tritt finanzpolitische Zurückhaltung oft in den Hintergrund. Grosse technologische Monopolanbieter sind sowohl Teil der Lösung als auch des Problems. Einerseits ist ihr Investitionszyklus zu einer stabilisierenden Kraft in der Weltwirtschaft geworden. Doch andererseits trägt ihre Dominanz zur Vergrösserung der Wohlstandskluft bei (da sie Löhne/Arbeitsplätze und Kapitalgewinne auf einen kleinen Teil der Bevölkerung kanalisieren). In einer zweigeteilten Wirtschaft sehen wir zwei Konsumrealitäten. Die Wohlhabenden geben weiterhin Geld aus, während Haushalte mit geringerem Einkommen mit steigenden Zahlungsrückständen und stagnierenden Reallöhnen zu kämpfen haben, was sie dazu zwingt, auf Eigenmarken, «Buy-now-pay-later»-Modelle und hohe Rabatte zurückzugreifen. Für Anleger ist die Schlussfolgerung klar: Sie sollten sich an beiden Enden dieser zweigeteilten Wirtschaft engagieren. Beispielsweise bedienen Aktien wie Procter & Gamble mit erschwinglichen und unverzichtbaren Gütern die Bedürfnisse eines breiten Massenmarktes. Sprouts hingegen zielt auf das Premium-Segment ab und spricht damit Verbraucher mit höherem Einkommen an, die Wert auf frische Lebensmittel legen.

Nationale Souveränität und die neue industrielle Ordnung
Das Ende der Pax Americana hat die nationale Souveränität wieder in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gerückt und strategische Investitionen in die Bereiche Verteidigung, Infrastruktur und Elektrifizierung ausgelöst. Im Verteidigungssektor sollten Anleger über die offensichtlichen Marktfavoriten hinausblicken. Parabolische Kursbewegungen und überhöhte Bewertungen deuten auf einen eher von Momentum als von Fundamentaldaten getrieben Handel hin. Ein klügerer Ansatz ist es, den Markt für Unternehmensanleihen zu nutzen, wo schnell wachsende europäische Verteidigungskonzerne Papiere mit Investment Grade-Rating und Renditen von 4 bis 5,5% anbieten sowie Umsatzprofile aufweisen, die sich in den letzten Jahren verdoppelt haben – ein Engagement in nationale Sicherheitsausgaben ohne Aktienblase. Nationale Sicherheit geht jedoch über Verteidigungstitel hinaus. Unternehmen wie Prysmian und Siemens spielen eine zentrale Rolle für die strategische Widerstandsfähigkeit, da sie zur Sicherung kritischer Infrastrukturen in den Bereichen Automatisierung, Mobilität oder Elektrifizierung beitragen.

Renten und Devisen: Umgang mit fiskalischen Exzessen und anhaltender Inflation
Da die Zentralbanken trotz anhaltender Inflation ihre Geldpolitik lockern, die Defizite steigen und das Angebot an Anleihen zunimmt, steigen die langfristigen Renditen. Papiere mit 30-jähriger Laufzeit der Finanzsünder – USA, Grossbritannien, Japan, Frankreich – bieten keine angemessene Kompensation für die damit verbundenen Risiken. Daher meiden oder shorten wir Staatsanleihen. Umgekehrt sind die Realzinsen für die derzeitige Schuldenlast nach wie vor zu hoch, während die vom Markt erwartete Inflation im Verhältnis zu den strukturellen Kräften weiterhin zu niedrig ist. Dies schafft günstige Rahmenbedingungen für inflationsgebundene Anleihen (inflation-linked bonds, ILBs): Wenn die Realzinsen fallen, steigen ILBs im Wert. Wenn die Inflation überraschend stark ansteigt – wie es häufig der Fall ist –, weiten sich die Inflations-Spreads aus. In jedem Fall bieten ILBs Carry, Schutz und Konvexität.

Unternehmenskredite: Defensives Carry, kein blindes Beta
Angesichts enger Index-Spreads und steigender Verschuldung im Hintergrund ist Vorsicht geboten. In diesem Zyklus sind die Märkte für Privatkredite und Staatsanleihen massiv gewachsen (um das Zweifache in den letzten 10 Jahren), während die Märkte für öffentliche Kredite kaum expandiert sind und die Verschuldung auf einem moderaten Niveau geblieben ist. Die öffentlichen Kreditmärkte profitieren von der Stärkung der Fundamentaldaten und einer Verbesserung der Kreditqualität: Emittenten mit besserer Bonität dominieren die Hochzins-Segmente, besicherte Anleihen nehmen zu und das EBITDA-Wachstum stützt grössere Unternehmen. Da der Zyklus voranschreitet und Selektivität unerlässlich wird, bevorzugen wir eine defensive Carry-Strategie mit Fokus auf hochwertige Emittenten und syndizierte Emissionen, da sich ein Grossteil der heutigen Verschuldung im Verborgenen angehäuft hat und öffentliche Märkte von Natur aus defensiver sind. Dank einer breiten Streuung über Emittenten, Ratings und Sektoren können Anleger Kreditportfolios mit einer Rendite von 5% aufbauen, wobei ein durchschnittliches Investment-Grade-Rating Risiko und Rendite effektiv ausgleicht.

Devisen: Finanzielle Stärke trifft auf Rohstoffvorteile – eine attraktive Kombination
Währungen von Ländern, die von verbesserten Handelsbedingungen und einer Haushaltskonsolidierung profitieren, stechen hervor. Der chilenische Peso wird durch Kupferexporte gestützt und dürfte von einer marktfreundlicheren Politik profitieren. Der südafrikanische Rand profitiert von einem Carry von 7 % sowie einer Turnaround-Dynamik und wird durch Gold- und Transitionsmetall-Exporte gestützt, während das Land gleichzeitig Öl importiert. Der australische Dollar vereint die Vorteile einer widerstandsfähigen Wirtschaft, einer relativ restriktiven Zentralbank, der Exposition gegenüber dem potenziellen chinesischen Fiskalplan und einer weltweit führenden Produktion von gefragten Rohstoffen und kritischen Materialien.

Fazit
Wir erleben derzeit ein finanzielles Paradoxon: einen späten Konjunkturzyklus, der sich partout nicht verlangsamen will. Fiskalpolitik, Investitionen in KI und die Politik der nationalen Souveränität prägen die Investitionslandschaft. Die expansive Fiskalpolitik ist nicht vorbei, ebenso wenig wie die Inflation. In einem solchen Umfeld sind traditionelle risikofreie Anlagen einem Inflationsrisiko ausgesetzt. Risikoaktiva sichern vor Inflation ab und profitieren vom nominalen Wachstum. Angesichts der Spannungen in den Lieferketten und der fiskalischen Schocks, die die Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen instabil halten, ist eine agile Investmentstrategie über verschiedene Anlageklassen hinweg entscheidend. Die preislich attraktivsten Absicherungsmöglichkeiten bieten Credit Default Swaps, der japanische Yen und Gold. Bewertungen erfordern Selektivität, keinen Rückzug. Das Investitionskonzept muss weiterentwickelt werden. Ein passives Engagement in Indizes oder Regionen reicht nicht mehr aus. Die Gewinner werden selektiv, global, bewertungsbewusst und agil über alle Anlageklassen hinweg zu finden sein. Dies ist kein «Goldilocks»-Moment. Es ist ein Wettlauf nach vorne, bei dem nicht die Vorsichtigsten, sondern die Reaktionsschnellsten die Nase vorn haben werden.

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