ElleXX oder warum ein ideologisches Fundament alleine noch kein Game Changer ist
Wer es in diesen Tagen und Wochen wagt, das Geschäftsmodell von ElleXX zu hinterfragen, sollte sich warm anziehen. Die Konsequenzen sind unschön.
Unliebsame mediale Berichterstattungen werden vom ElleXX-Gründertrio, bestehend aus Patrizia Laeri (CEO), Nadine Jürgensen, (COO) und Simone Züger (CIO), abwechslungsweise mit einer Medienanwältin oder mit Schelte auf den sozialen Medien geahndet. Im letzteren Fall greift Patrizia Laeri gerne selber in die Tasten und teilt herzhaft aus. Den Rest erledigt dann jeweils die ElleXX-Community, die sich in teils überschwenglichen Kommentaren gerne und oft selber feiert oder sich alternativ über die Kritiker hermacht, und diese mitunter wortgewaltig abstraft. Missliebige Einschätzungen Dritter zum Geschäftsverlauf von ElleXX sind entweder unsubstantiiert, böswillig, sexistisch motiviert und damit frauenfeindlich, unsachlich oder einfach unangebracht. Sie stammen grossmehrheitlich von missgünstigen Männern, die Frauen grundsätzlich klein halten wollen oder die das weibliche Unternehmertum geringschätzen – zumindest erwecken die Macherinnen von ElleXX diesen Eindruck beim Schreiber dieses Beitrages (ja, es ist ein Mann). Und sollte die Kritik für einmal aus der Feder einer Frau stammen, wird diese als von Männern instrumentalisierte und fremdgesteuerte Marionette verunglimpft.
Aber der Reihe nach.
ElleXX versteht sich gemäss eigener Darstellung als ein Fintech-Unternehmen. Es finden sich aber auch Stimmen, die den Initiantinnen genau dieses Prädikat absprechen und von einer aufgepeppten Finanz-Website oder bestenfalls einer digitalen Informationsplattform sprechen. Ich will an dieser Stelle (noch) nicht näher auf definitorische Begrifflichkeiten eingehen, obwohl diese bei der Bewertung des Geschäftsmodells von ElleXX durchaus von Bedeutung sind. Mehr dazu später.
Ernest Dichter (1907 – 1991), Pionier der MarktpsychologieMan kann alles verkaufen, wenn es gerade in Mode ist. Das Problem besteht darin, es in Mode zu bringen.
Inhaltlich richtet sich ElleXX an Frauen, die – so das etwas vereinfachte Narrativ – in einer männerdominierten Welt den Anschluss verlieren, weil sie mit ihrem Finanzwissen hinter ihren männlichen Pendants zurückstehen. Mit dem ehrenwerten Anspruch «Close the Gaps» soll die Community von ElleXX über ein kostenpflichtiges Abonnement sowie über eine eigene App Wissenslücken in Finanzfragen kompensieren und/oder Zugang zu besonderen, auf eine weibliche Klientel zugeschnittene, Angebote von Drittpartnern erhalten. Das ist im Wesentlichen das Geschäftsmodell von ElleXX. Inhaltlich zementiert wird das Ganze mit der Gender-Keule bzw. mit einem ideologischen Weltbild, das ein toxisches Beziehungsgeflecht zwischen Frauen und Männern zeichnet. Die Initiantinnen inszenieren und befeuern gekonnt den Geschlechterkampf unter dem Deckmantel der Aufklärung. In Tat und Wahrheit leiten sie daraus ein relativ triviales Geschäftsmodell ab. Dazu gehören die Vermittlung einer Zusatzversicherung, die sich speziell an Frauen richtet (Geburtstrauma, Mom-Burnouts, Brustkrebs) oder eine Rechtsschutzversicherung für berufstätige Frauen, um sich gegen Sexismus, Mobbing oder Lohnungleichheit am Arbeitsplatz zu schützen. So weit, so gut. Mehr zu reden, und damit wären wir wieder beim Thema Finanzen, gibt das Anlageprodukt, das von ElleXX vollmundig angepriesen wird. Es handelt sich um ein sogenanntes «Strukturiertes Produkt» in Form eines Aktien-Basket. Investiert wird in Firmen, «die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen». Auch dagegen ist nichts einzuwenden, wären die Rendite des besagten Finanzproduktes nicht bestenfalls mittelmässig und die Kosten für die Anlegerinnen aufgrund der Produkt-Architektur, die ebendieser Anlageform zu eigen ist, relativ hoch.
ElleXX verfolgt also im Wesentlichen ein Geschäftsmodell, dass – nebst Abonnementgebühren – auf der Vermittlung von Finanzprodukten basiert, und wird dafür im Gegenzug von den Partnerfirmen mutmasslich finanziell entschädigt. Die Wokeness, die dem Ganzen zu Grunde liegt, ist letztlich die «Unique Advertising Proposition» (UAP), ein Begriff aus dem Marketing und der Verkaufspsychologie. Er bezeichnet die Differenzierung eines Unternehmens von den Mitbewerbern bezogen auf die Werbung oder anders formuliert, die kommunikative Profilierung von ElleXX. So gesehen, eine kluge Marketing-Strategie. Mehr aber auch nicht.
Kommen wir nun noch einmal auf die Bewertung des Geschäftsmodells von ElleXX zu sprechen. Eine Schweizer Wirtschaftszeitung berichtete unlängst, dass ElleXX weit hinter den gesteckten Finanzzielen für das Geschäftsjahr 2023 zurückliegt. Damit rücken auch die hoch gesteckten Mittelfristziele bis ins Jahr 2027 in weite Ferne – der Business Case rechnet sich möglicherweise nicht. Verständlich, dass Patrizia Laeri in die kommunikative Offensive geht. Sie argumentiert dabei aber unglücklich und verweist, unterstützt von Teilen der ElleXX-Community, auf den Umstand, dass zahlreiche Fintech-Unternehmen die Umsatz- oder Gewinnziele in der Startphase verfehlen. Das mag so sein, es stellt sich hier aber die Frage, ob ElleXX tatsächlich ein Fintech-Unternehmen ist. Gemäss einer engen Definition wohl eher nicht. Darüber vermag auch der Umstand nicht hinwegzutäuschen, dass ElleXX eine App anbietet, die gemäss der Darstellung von Patrizia Laeri die Download Charts der Finanz-Apps anführt, «noch vor den Grossen dieser Welt wie Paypal, UBS oder Revolut». Wie bitte? Ja, sie haben richtig gelesen. Die Co-Gründerin von ElleXX stellt sich auf eine Stufe mit arrivierten Finanz-Dienstleistern, blendet aber aus, dass die drei genannten Unternehmen definitiv in der höchsten Fintech-Liga spielen, derweil ElleXX vergleichsweise in der technologischen Wüste angesiedelt ist. Zudem ist eine hohe Download-Rate kein Garant für künftige Erträge und damit nur bedingt eine verlässliche Messgrösse für den operativen Geschäftserfolg. Effektiv erwirtschaftete Umsatzzahlen sind da weit aussagekräftiger.
Womit ich noch auf eine andere Zahl zu sprechen kommen möchte. ElleXX verzeichnet auf LinkedIn über 17'000 Followerinnen. Das ist zweifelsohne eine stolze Zahl und lässt auf einen grossen Zuspruch schliessen. So überrascht denn auch nicht, dass Beiträge von Patrizia Laeri auf LinkedIn von ihrer Community frenetisch beklatscht und gefeiert werden. Das sei der Co-Gründerin von ElleXX gerne zugestanden. Leider ist es aber unrealistisch, den Erfolg eines Geschäftsmodells aus einer Mischung von Download-Raten (der App) und einer grossen Fangemeinde auf LinkedIn abzuleiten. Diese Erkenntnis dürfte sich über kurz oder lang auch bei den Investoren von ElleXX einstellen.
Zum Schluss noch ein persönliches Wort des Autors dieses Beitrages an die Macherinnen von ElleXX: Ich teile viele feministischen Anliegen vorbehaltlos, beispielsweise in der Frage der Gleichberechtigung, der beruflichen Chancen- und Lohngleichheit oder der sexuellen Integrität. Aber in der Politik wie in der Wirtschaft gilt: Ein ideologisches Fundament alleine ist noch kein Game Changer. Überzeugende Geschäftszahlen hingegen schon.