Wie sicher sitzt Thomas Gottstein im Sattel?

Über die jüngsten Milliarden-Pleiten der Credit Suisse wurde viel berichtet, derweil die Aufarbeitung der Vorfälle und abschliessende Klärung von Verantwortlichkeiten rund um das Greensill- respektive Archegos-Debakel noch laufen. Eine wichtige Frage bleibt bis dato allerdings noch unbeantwortet: Wie sicher sitzt der CEO der Credit Suisse tatsächlich noch im Sattel?

Der CEO-Posten (nicht nur) in einer Grossbank gleicht zuweilen einem Rodeo-Ritt. Während sich der Reiter auf einem Pferd im Turnier lediglich acht Sekunden im Sattel halten muss, ohne das Tier, sich oder seine Ausrüstung mit seiner freien Hand zu berühren, streben CEOs deutlich längere Verweildauern an. In der Regel gelingt das nur, wenn ihre Fehlerquote klein ist. Aber ausgerechnet in dieser Disziplin fällt die Bilanz von Thomas Gottstein in seiner relativen kurzer Amtszeit, diplomatisch formuliert, durchzogen aus. Der CEO der Credit Suisse ist zweifelsohne angeschlagen, dennoch scheint er nicht gewillt, die operative Verantwortung für die Milliarden-Verluste der Bank zu übernehmen. Zumindest deutet nichts darauf hin.

Tue nichts, was du nicht verantworten kannst, aber tue alles, dessen Unterlassung du verantworten müsstest.

Peter Cerwenka (*1942), Univ.-Prof. a.D. Dr., Fachbereich Verkehrssystemplanung, Technische Universität Wien

Und auch der neue Präsident António Horta-Osório liess unlängst medial verlauten, dass Thomas Gottstein der Mann für die Zukunft sei. Die Halbwertszeit solcher Aussagen ist bekanntlich sehr beschränkt, das zeigt sich am Beispiel der UBS. Wir erinnern uns: Im September 2011 wollte der damalige CEO Oswald Grübel im Nachgang an einen materiellen Handelsverlust im Umfang von 2.2 Milliarden US-Dollar in einer ersten Reaktion nichts von einem Rücktritt wissen. Um dann ein paar Tage später von seinem Posten zurückzutreten. Dafür wurde er von der Öffentlichkeit gewürdigt als einer, der die Verantwortung übernimmt. Noch heute gilt sein damaliger Rücktritt, zumindest in der helvetischen Bankenwelt, als einzigartiger Vorgang, der ihm selbst von Kritikern viel Bewunderung und Respekt eingebracht hat.

Jeder ist verantwortlich für das, was er unterlässt
Thomas Gottstein hingegen zeigt sich in der aktuellen Situation deutlich weniger sensibel und blendet dabei offenbar auch seine Vorbildfunktion komplett aus. Leistungsträger auf seiner (CEO-)Flughöhe werden per Definition finanziell grosszügig entschädigt. Dabei werden die Befürworter der zuweilen überbordenden Bonuskultur in der Finanzindustrie nicht Müde darauf hinzuweisen, dass mit dem Amt auch grosse Verantwortung und persönliche Karriere-Risiken verbunden sind, was wiederum die Höhe der Bezüge legitimiere. Auch wenn die Credit Suisse Gerüchte um einen allfälligen Rücktritt oder gar eine Absetzung von Thomas Gottstein bislang vehement dementiert, mehren sich in Branchenkreisen Stimmen, die personelle Konsequenzen auf Stufe CEO als unausweichlich betrachten. Doch wer könnte übernehmen? Eine schwierige Frage, fehlt es der Credit Suisse doch ganz offensichtlich an internen Kandidaten. Die gute Nachricht für eine externe Neubesetzung ist, dass ein neuer Mann oder eine neue Frau im Sattel der wildgewordenen Credit Suisse wenig Downside zu befürchten hätte, oder etwas lapidarer ausgedrückt: Es kann unter einer neuen operativen Leitung nur besser werden. Die entscheidende Frage dürfte aber wohl vielmehr sein, ob António Horta-Osório tatsächlich an Thomas Gottstein festhalten wird. Die Möglichkeiten ein starkes Zeichen zu setzen, sind für den Präsidenten der Credit Suisse naturgemäss beschränkt. Die Nomination eines neuen CEO wäre eine naheliegende Option und vor dem aktuellen Hintergrund durchaus gerechtfertigt. In Headhunter-Kreisen wird António Horta-Osório zudem durchaus zugetraut, den CEO-Posten gleich selbst zu übernehmen. Das bleibt natürlich vorderhand Spekulation. Klar ist aber, dass die Personalie nicht vom Tisch ist. Dafür ist der Vertrauensverlust in die Spitze der Credit Suisse zu gross.